Seitdem die hessische Polizei im Mai des Jahres 2013 mit den ersten Pilotversuchen zum Einsatz so genannter „Body-Cams“ begann, ist die rechtliche Diskussion über dieses Überwachungsinstrument auch in Deutschland angelangt. Bei der Body-Cam, welche teils synonym auch als Körper- oder Schulterkamera bezeichnet wird, handelt es sich um eine Miniatur-Videokamera, die mittels einer speziellen Weste an der Schulter von Polizeibeamten angebracht werden kann und es technisch ermöglicht, während eines Einsatzes Video- und Tonaufnahmen zu erstellen. Neu ist diese Idee jedoch nicht: In den Vereinigten Staaten wird diese Form der polizeilichen Videoüberwachung schon seit mehreren Jahren praktiziert. Unterschiedlich sind aber die Schutzzwecke: Während in den USA die Body-Cams primär den Bürger vor rechtswidrigen Übergriffen von Polizeibeamten schützen sollen, dienen in Deutschland die Body-Cams in erster Linie dem Selbstschutz der Polizeivollzugsbeamten.
Mit dem Einsatz der Body-Cams sind zahlreiche verfassungsrechtliche Probleme verbunden, indem durch ihre Aktivierung ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen erfolgt. So stellen sich zunächst Fragen der Gesetzgebungskompetenz der Länder aufgrund der Doppelfunktionalität der polizeilichen Videoaufnahmen, welche sowohl für Zwecke der Gefahrenabwehr wie auch für die Strafverfolgung eingesetzt werden können. Auch werden bisher unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes die technischen Aufzeichnungsmittel in den Vorschriften nicht weiter konkretisiert – mit der Folge, dass letztlich auch Drohnen mit optischen Überwachungsfunktionen hierunter gefasst werden können. Vor allem aber die Verhältnismäßigkeit des Body-Cam-Einsatzes erscheint zurzeit fraglich. So ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung nicht nur der Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Polizeibeamten zu berücksichtigen, sondern auch der Persönlichkeitsschutz des Bürgers. Die derzeitigen Regelungen berücksichtigen diesen leider nur in einem unzureichenden Maße. So wird insbesondere nicht verbindlich klar gestellt, wie im Anschluss an die Aufzeichnung mit den Videoaufnahmen zu verfahren ist. Dass für eine solche Art von Transparenz jedoch ein dringendes Bedürfnis besteht, machen verschiedene Fälle aus der jüngeren Vergangenheit deutlich, in denen möglicherweise Polizeigewalt belegendes Videomaterial abhandenkam oder an den zur Beweisführung relevanten Stellen Aufnahmelücken aufwies (siehe nur Süddeutsche.de vom 20.05.2010; Der Tagesspiegel vom 12.07.2013). Um die „informationelle Waffengleichheit“ zwischen Polizei und Bürgern herzustellen, bedarf es hier unbedingt rechtlich verbindlicher technischer wie auch organisatorischer Maßnahmen. Aufgrund der Einseitigkeit der hoheitlichen Videoüberwachung müssen dem Bürger zudem bessere Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um seine datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte gegenüber den Polizeibehörden wie Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche geltend zu machen. Die bisher lediglich vorgesehene Hinweispflicht seitens des kameraführenden Beamten, dass eine Videoaufzeichnung stattfindet, kann diesen Anforderungen nicht genügen.
Auch wenn die Polizeistatistiken stets die Vorteile des Body-Cam-Einsatzes hervorheben, so ist die rechtspolitische Entwicklung dieses Überwachungsinstruments kritisch zu beobachten. Neben Hessen, welches die Body-Cams ab dem kommenden Jahr landesweit einsetzen will, planen Hamburg und Baden-Württemberg ebenfalls die Möglichkeit von Modellversuchen; weitere Länder und die Bundespolizei sind an dem Gebrauch der Body-Cams ebenso interessiert. Der flächendeckende Einsatz der neuen Überwachungskameras scheint innerhalb der kommenden Jahre somit durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen. Dennoch darf dieses neue Ermittlungsinstrument letztlich nicht zum Toröffner einer sicherheitsbehördlichen Dauerüberwachung werden, nur weil die Realisierung einer solchen Überwachung aus technischen Gesichtspunkten heraus immer leichter wird. Gerade auch weil die Zwecksetzung der Body-Cams hierzulande primär im Schutz der Polizisten begründet liegt, sollten langfristig alternative Deeskalationsmodelle angedacht werden, denn nur gegenseitiges Vertrauen zwischen Bürgern und Behörden vermag die Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Kooperation zu bilden, die auch dem Polizeivollzugsdienst zugute kommt. Der Aufbau einer technischen Drohkulisse dürfte auf lange Sicht wohl eher Gegenteiliges bewirken.
Stellungnahme aus dem Gesetzgebungsverfahren in Hessen: Stellungnahme Dennis-Kenji Kipker LT-Drs. 19-1979. Die Stellungnahme für das Land Niedersachsen findet sich auf intrapol.org.
Ein entsprechender Vortrag des Verfassers während der DSRI-Herbstakademie 2016 findet sich an dieser Stelle.