Die UN-Generalversammlung hat in einer am 20. Dezember 1993 verabschiedeten Entschließung den 3. Mai zum „internationalen Tag der Pressefreiheit“ erklärt. Bezugspunkt war die „Deklaration von Windhuk“ der UNESCO, in der „die Schaffung einer unabhängigen pluralistischen und freien Presse“ als „Eckstein für Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung“ bezeichnet und gefordert wurde. In ihrer Rangliste der Pressefreiheit für das Jahr 2016 hat die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Deutschland gegenüber dem Vorjahr um vier Plätze auf Rang 16 herabgestuft. Unser Land wird danach schlechter bewertet als etwa in Finnland (Platz 1), Costa Rica ( 6) oder Jamaika (10). Auch wenn Deutschland damit immer noch zu den Staaten gehört, in denen die Pressefreiheit relativ wenig bedroht ist, lohnt sich ein Blick auf die Gründe für die Herabstufung.
Ausschlaggebend dafür ist neben Übergriffen auf Journalisten aus dem militant rechten Milieu die staatliche Überwachung publizistischer Tätigkeit. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang vor allem an das Verfahren der Generalbundesanwaltschaft gegen netzpolitik.org wegen vermeintlichen Landesverrats.
Der internationale Tag der Pressefreiheit ist ein guter Anlass, zu fragen, was aus dieser Affäre geworden ist, die im Sommer 2015 die Gemüter bewegt hat (vgl. meinen Blog Post v. 31.7.2015). Der Generalbundesanwalt hatte gegen zwei Journalisten, die für den Blog netzpolitik.org schreiben, ein Verfahren wegen Verdachts auf Verstoß gegen § 94 Abs. 1 Nr. 2 StGB (öffentliches Bekanntmachen eines Staatsgeheimnisses – „publizistischer Landesverrat“) eingeleitet. Ihnen wurde vorgeworfen, vertrauliche Unterlagen aus dem Bundestags Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre veröffentlicht zu haben. Angestoßen wurden die Ermittlungen durch eine Anzeige des Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz Maaßen. Auch wenn sich die Anzeige nicht allein gegen Journalisten richtete, sondern auch oder in erster Linie gegen Bundestagsabgeordnete, wie der Rechercheverbund correctiv kürzlich herausgefunden hat, bei denen der Verfassungsschutz eine undichte Stelle vermutete, waren die Blogger doch die einzigen, gegen die schließlich ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Landesverrats eingeleitet wurde.
Das Verfahren stieß auf breite Kritik in der Öffentlichkeit. Es erinnerte an Praktiken des wilhelminischen Obrigkeitsstaats und der Weimarer Republik, mit der Keule des angeblichen Staatsverbrechens gegen unliebsame Kritiker vorzugehen. Prominentestes Opfer war der – später mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete – Carl von Ossietzky, der Herausgeber der „Weltbühne“, die über geheime Rüstungshilfe der Reichswehr berichtet hatte. Auch wenn seither immer wieder über die Streichung des „publizistischen Landesverrats“ diskutiert wurde, hat sich hier bis heute nichts getan. So sehr es zu begrüßen ist, dass das Landesverratsverfahren gegen die Blogger nach Intervention des Bundesjustizministeriums schließlich eingestellt wurde, so wenig ist es hinzunehmen, dass die freie journalistische Berichterstattung durch den Landesverratsparagraphen weiterhin bedroht bleibt.
Wenn heute angesichts der Causa Böhmermann zu Recht darüber diskutiert wird, obrigkeitsstaatliche Überbleibsel wie die „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ (§ 103 StGB) aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, sollte auch die Strafbarkeit des „publizistischen Landesverrats“ beseitigt werden, die eine unvergleichlich gefährlichere Keule gegen die Pressefreiheit darstellt.
Mit freundlichen Grüßen, Peter Schaar