Die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz bewertet den vom Bundesministerium des Innern (BMI) vorgelegten Gesetzentwurf zur Ausweitung der Videoüberwachung kritisch.
In der Stellungnahme äußert die EAID erhebliche Zweifel daran, ob die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte systematische Höhergewichtung der öffentlichen Sicherheit gegenüber dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Zweifelhaft sei schon, inwieweit die zusätzliche Videoüberwachung sich überhaupt zur Abwehr von Terroraschlägen eigne. Es sei nicht erkennbar, wie dadurch Anschläge wie in Ansbach und München im Sommer 2016 verhindert werden könnten, wie das BMI erwarte.
Hierzu führt die EAID aus: „Eine präventive Abschreckungswirkung dürfte von der Videoüberwachung und -aufzeichnung im Hinblick auf die terroristischen Anschläge jedenfalls nicht zu erwarten sein. Attentäter, die bewusst ihr eigenes Leben opfern („Selbstmordattentäter“) und die mit ihnen verbundenen Organisationen streben möglichst breite mediale Wirkung an. Videoaufzeichnungen und die Verbreitung der Aufnahmen sind insofern in ihrem Interesse. Im Hinblick auf die zur Begründung angeführten Anschläge in München und Ansbach sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass sich diese durch umfangreichere Videoüberwachung hätten verhindern, in ihren Auswirkungen begrenzen oder effektiver aufklären lassen.“
Bei der Videoüberwachung würden regelmäßig ganz überwiegend Personen erfasst, von denen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht und die keine Straftaten begangen haben. „Eine dauerhafte, nicht anlassbezogene Videoüberwachung hat deshalb stets den Charakter einer Datenerhebung und -speicherung auf Vorrat“, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs nur ausnahmsweise zulässig ist und jedenfalls einer nachprüfbaren und überzeugenden Begründung bedürfe, führt die EAID aus.
Selbst unter der Prämisse, dass sich die in der Gesetzesbegründung genannten Ziele durch vermehrte Videoüberwachung erreichen ließen, wäre deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit auch im Hinblick auf die Vielzahl zusätzlicher Überwachungs- und Speicherungsbefugnisse zu beurteilen, die in den letzten Jahren eigeführt wurden oder die geplant sind, etwa die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, die umfassende Speicherung der Daten von Flugreisenden und das auf EU-Ebene geplante Ein- und Ausreiseregister. Eine solche, auch vom Bundesverfassungsgericht geforderte „Überwachungsgesamtrechnung“ verstärke die verfassungsrechtlichen Zweifel an dem Gesetzgebungsvorhaben.