Staatliche Gesichtserkennung ist etwas anderes als Kennzeichenscanning oder private Selfies

Die Anwendung von Gesichtserkennungstechnik durch den Staat ist nicht – wie der Bundesinnenminister meint – mit der Nutzung durch Private (z.B: beim Posten von Selfies oder dem Durchsuchen von Bildern bei Instagram) vergleichbar. Sie würde zu massiven Eingriffen in die Grundrechte unverdächtiger Menschen führen, die der Rechtfertigung bedürften. Ein solcher Eingriff läge schon in der automatisierten Beobachtung von Passanten mithilfe von Gesichtserkennungssoftware, die im Trefferfall „Alarm schlagen“ würde, wenn eine Person aus dem Fahndungsbestand erkannt würde. Dieser Eingriff wäre durch das geltende Polizei- und Strafverfolgungsrecht nicht gedeckt.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die kurzzeitige Speicherung von Kfz-Kennzeichen beim automatisierten Kennzeichenscanning durch die Polizei dann nicht als Grundrechtswidrig angesehen, wenn nur die „Treffer-Fälle“ anschließend gespeichert werden. Diese Bewertung wird das Gericht aber aller Voraussicht nach nicht auf die Gesichtserkennung erstrecken, denn: das Kfz-Kennzeichen ist ein bloßer Datensatz, der lediglich eine Information über die Beziehung zwischen dem Kfz und seinem Halter (nicht zu seinem Fahrer) enthält. Das Gesicht (vorausgesetzt, es wird richtig erkannt) enthält zunächst eine (eindeutige) Information über die Identität der Person mit diesem Gesicht, darüber hinaus aber noch eine Vielzahl anderer (Überschuß-)Informationen z.B. über den Gefühlszustand, die ethnische Herkunft und evtl. auch über den Gesundheitszustand der Person. Eine Parallele zur Kfz-Kennzeichenerfassung ließe sich allenfalls dann ziehen, wenn jedes menschliche Gesicht in einem Datensatz verformelt wäre (gewissermaßen in einem öffentlich getragenen Personenkennzeichen). Das aber will hoffentlich niemand.

Außerdem gilt: bevor der Gesetzgeber daran gehen könnte, den Einsatz von Gesichtserkennungstechnik für Fahndungszwecke zu legalisieren, müsste ihre Geeignetheit zweifelsfrei feststehen, anderenfalls würde ein entsprechendes Gesetz den Anforderungen der Verfassung nicht genügen. Zwar ist seit dem Modellversuch am Mainzer Hauptbahnhof einige Zeit vergangen und die Technik dürfte sich weiter entwickelt haben. Noch aber sind keine neueren belastbaren Ergebnisse bekannt geworden, wonach die technikgestützte Gesichtserkennung zuverlässig genug ist, um im Echteinsatz verwendet zu werden.

Alexander Dix

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