Der Datenschutz wird von seinen Kritikern häufig als Symptom eines übertriebenen Individualismus und dazu als typisch deutsche Marotte denunziert. Demgegenüber sei daran erinnert, dass der Autor des weltweit ersten Datenschutzgesetzes, des Hessischen Datenschutzgesetzes von 1970, Spiros Simitis stets die Bedeutung des Datenschutzes als Funktionsbedingung einer demokratischen Gesellschaft betont hat. Diese Erkenntnis hat auch Eingang gefunden in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Volkszählungsurteil von 1983. Wer befürchten muss, permanent beobachtet und überwacht zu werden, wird eher davon absehen, seine Meinung öffentlich zu äußern, an einer Demonstration teilzunehmen oder andere Grundrechte wahrzunehmen. Simitis betonte stets den Charakter des Datenschutzes als Grundrechtsschutz. Zugleich hat er schon früh auf den Zusammenhang zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit hingewiesen.
Außerdem hat Simitis früher als andere darauf aufmerksam gemacht, dass Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung sich national nicht effektiv bewahren lassen, sondern dass es dafür europäischer und letztlich globaler Regeln und Übereinkünfte bedarf. Spiros Simitis hat maßgeblich zur Formulierung und Verabschiedung der Europäischen Datenschutzrichtlinie von 1995 beigetragen, die später zu einem – wie Simitis es nannte – „Europäischen Datenschutzgesetz“, der Datenschutz-Grundverordnung, weiterentwickelt wurde.
Gesetzgeber können nur einen Rahmen dafür setzen, dass grundlegende Werte für das menschliche Zusammenleben Beachtung finden. Darüber hinaus müssen diese Werte von Menschen überzeugend vermittelt werden. Spiros Simitis hat wie kein anderer in einer Vielzahl von Veröffentlichungen und Vorträgen mit seiner gewinnenden Persönlichkeit die Bedeutung des Datenschutzes unterstrichen. Er hat – über Deutschland und Europa hinaus – die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Bewusstsein für Gefährdungen der Autonomie des einzelnen Menschen in der modernen Informationsgesellschaft deutlich zugenommen hat und der europäische Datenschutz weltweit an Bedeutung gewinnt. Spiros Simitis ist am 18. März 2023 im Alter von 88 Jahren verstorben. Der Vorstand der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz trauert um ihn und versteht sein Vermächtnis als bleibende Aufgabe.