Von Peter Schaar (6.3.2020)
In diesen Tagen erleben wir, wie leichtfertig angesichts vermeintlich existenzieller Bedrohungen mit Grund- und Menschenrechten umgegangen wird. Während Griechenland als Reaktion auf die durch die Türkei provozierte Zunahme der Flüchtlingszahlen auf die Europäischen Außengrenzen mit dem „Aussetzen“ des Menschenrechts auf Asyl reagiert, wird in Deutschland angesichts der zunehmenden Zahl der Infizierten mit dem Covid19-Virus ernsthaft gefordert, die Standortdaten aus der Mobilfunknutzung für das Nachvollziehen von Infektionsketten und zur Identifikation von Kontaktpersonen zu nutzen.
Aus einer Arbeitsgruppe des Robert-Koch-Instituts wird berichtet, dass dies möglich sei. Richtig ist, dass inzwischen nicht nur Smartphones, sondern auch alle möglichen anderen Alltagsgegenstände eine Fülle von Metadaten erzeugen, darunter auch solche über die Standorte. Allerdings sind die bei den Betreibern erfassten Standortdaten aus den Mobilfunkzellen recht ungenau – je nach Netz und Region zwischen einigen hundert Metern und mehreren Kilometern. Die Vorstellung, dass diese Daten zur effektiven Eingrenzung von Corona-Infektionen beitragen könnten, ist deshalb wenig plausibel.
Zwar kann ein Mobilfunkunternehmen durch Triangulierung der Signallaufzeiten von unterschiedlichen Mobilfunk-Basisstationen eine genauere Ortung realisieren (10-100 Meter). Eine solche Triangulierung erfolgt allerdings nur in besonderen Einzelfällen in Echtzeit. Die dauerhafte Speicherung der Ergebnisse wäre nicht zulässig.
Anders sieht es mit den GPS-Daten aus: Sie gestatten zwar die metergenaue Ortung des Geräts. Allerdings haben die Betreiber der Mobilfunknetze keinen Zugriff auf diese Daten und sie dürften sie auch nicht speichern. Ob und wie lange die App-Anbieter und Plattformbetreiber (Google, Facebook, Apple …) die GPS-Daten speichern, differiert außerordentlich. Vielfach dürften entsprechende Daten vorhanden sein, soweit der Nutzer die Ortungsfunktion auf seinem Smartphone aktiviert hat.
Generell gilt: Ein staatlicher Zugriff auf Standortdaten darf nur erfolgen, wenn eine Rechtsgrundlage dies gestattet. Weder das Infektionsschutzgesetz noch ein anderes Gesetz sieht entsprechende Befugnisse vor. Schon im Hinblick auf die fehlenden Daten würde es wenig Sinn machen, von den Telekommunikationsunternehmen die Herausgabe zu verlangen.
Natürlich ist es jedem mit dem Coronavirus Infizierten unbenommen, die auf seinem Smartphone gespeicherten Standortdaten an die für die Eingrenzung des Infektionsgeschehens zuständigen Stellen zu übermitteln. Ob eine solche staatliche Datensammlung indes Sinn macht, wage ich zu bezweifeln. Eine Zwangserhebung der Daten sämtlicher Smartphonenutzer, wie sie offenbar in China praktiziert wird, wäre mit unserer rechtsstaatlichen Ordnung nicht vereinbar.