Einen Monat nach seiner wegweisenden Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung hat der europäische Gerichtshof (EuGH) erneut ein wichtiges Urteil zum Datenschutz gesprochen: In seiner heutigen Entscheidung C-131/12 hat der EuGH klargestellt, dass sich die Firma Google an europäisches Datenschutzrecht halten muss, wenn sie in Europa tätig ist und dabei personenbezogene Daten verarbeitet. Insbesondere hat das Gericht damit Praktiken einen Riegel vorgeschoben, durch die Aufteilung der Konzernaktivitäten auf verschiedene formell unabhängige juristische Personen dem europäischen Datenschutzrecht zu entfliehen. Google Spanien handelt – so die Gerichtsentscheidung – als Teil der weltweit agierenden Google-Gruppe auf spanischem Boden. Dementsprechend unterliegen die auch in Europa abrufbaren personenbezogenen Suchergebnisse spanischem Recht, obwohl die Konzernmutter ihren Sitz in den USA hat.
Die Entscheidung ist jedoch auch aus einem anderen Grund bemerkenswert: Sie macht deutlich, dass Unternehmen, deren Aktivitäten in großem Umfang darin bestehen, weltweit verfügbare Informationen zu sammeln, zu bewerten und aufzubereiten, datenschutzrechtlich verantwortlich sind. Sie können sich nicht mit dem Argument herausreden, lediglich technisch das zusammenzufassen, was ohnehin schon im Internet verfügbar ist. Dies bedeutet, dass Informationen, die nach europäischem Recht gelöscht werden müssen oder die nicht weiter verbreitet werden dürfen, auch von Suchmaschinenbetreibern nicht unkontrolliert verwendet werden dürfen.
Um hier einem Missverständnis vorzubeugen: Der EuGH hat hier kein absolutes „Recht auf Vergessenwerden“ formuliert. Wie auch das deutsche Bundesverfassungsgericht macht auch der europäische Gerichtshof deutlich, dass es um eine Interessenabwägung geht. Bei dieser Interessenabwägung ist nicht allein die Sensitivität des einzelnen Datums entscheidend, sondern der Kontext, in dem die Daten angefallen sind und wie sie verwendet werden. So spielt es eine entscheidende Rolle, inwieweit die Daten von einer Person stammen, die in der Öffentlichkeit steht. Auch das deutsche Recht kennt entsprechende Regelungen, bei denen Personen der Zeitgeschichte anders behandelt werden als Menschen, die nicht zu öffentlichen Debatten Anlass geben (vgl. die „Lebach-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts von 1973).
Bemerkenswert ist, dass das höchste europäische zum zweiten Mal in kurzer Folge deutlich gemacht hat, dass es sich als Wächter der europäischen Grundrechte versteht. Diese Meta- Botschaft ist auch im Hinblick auf die Debatte um die Zukunft des EU-Datenschutzes von großer Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schaar