Die Zukunft der Corona-Warn-App – Was wird aus den Daten?

von Peter Schaar (26. April 2022)

Deutschland belegt bei vielen internationale Digital-Rankings einen hinteren Platz. Dies gilt insbesondere für das Gesundheitswesen. Immer wieder wurde der erbarmungswürdige Digitalisierungsstand auch in der Corona – Pandemie beklagt, vielfach wurde (meist ohne jeden Beleg) der Datenschutz als Digitalisierungsbremse ausgemacht.

Die Corona–Warn-App (CWA) ist eines der wenigen gelungenen Gegenbeispiele im deutschen Digitalisierungsjammertal, noch dazu eines, das auch beim Datenschutz vorbildlich ist. Die App wurde bisher mehr als 45 Millionen mal heruntergeladen, häufiger als jede andere deutschsprachige Anwendung. Vom Launch der App am 20. Juni 2020 bis zum 20. April 2022 wurden nach Angaben der Bundesregierung mehr als 176 Millionen Testergebnisse (PCR- und Antigen-Schnelltests) auf digitalem Weg von den angeschlossenen Laboren übermittelt. Mehr als 100 Millionen grüne und rote Warnungen wurden über die Corona-Warn-App empfangen und die allermeisten Nutzerinnen und Nutzer haben ihre Impf- und Genesenenzertifikate digital auf die App geladen. 

Open Source, dezentrale Speicherung und Anonymität der Nutzenden haben diesen Erfolg erst ermöglicht. Nennenswerte Datenschutzverstöße und Sicherheitsvorfälle sind nicht bekannt geworden. 

Im Lauf der Zeit wurde die Kernfunktion der App, das Versenden von Warnmeldungen über Risikokontakte, sukzessive ergänzt um eine Vielzahl anderer Funktionen, etwa eine Check-In-Funktion und die Ablage digitaler Impf- Genesenen- und Testzertifikate.

Trotzdem ist festzustellen, dass das Potential der Corona-Warn-App nicht vollständig ausgenutzt wurde. So wäre es mit geringem Aufwand möglich gewesen, ohne Einschränkungen des Datenschutzes ein sehr viel genaueres epidemischen Lagebild zu gewinnen, wenn man die Meldungen der 270 PCR-testenden Labore und 20.000 an die App angeschlossenen Teststellen regionalisiert hätte. Man hätte dadurch ein tagesgenaues und kleinräumiges Bild über das Infektionsgeschehen gewinnen können. Auf dessen Grundlage wäre es auch möglich gewesen, Zusammenhänge zwischen Infektionszahlen und auslösenden Ereignissen sehr viel besser zu erkennen und man hätte die Wirksamkeit von Maßnahmen der Bundesländer evaluieren können.

Allerdings hat das Bundesgesundheitsministerium diese Gelegenheit aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht genutzt und damit die Chance verpasst, „vor die Lage“ zu kommen.

Nun droht ein weiteres Debakel: In den kommenden Monaten muss darüber entschieden werden, was mit den bei den Nutzerinnen und Nutzern gespeicherten Daten geschieht. Dabei geht es speziell um die vielen Millionen digitalen Impfzertifikate, die verloren zu gehen drohen, wenn die App nicht mehr benötigt und von den Nutzenden deaktiviert oder gelöscht wird.

Damit würde nicht nur ein smarter Weg zu einem von der Wissenschaft geforderten  Impfregister erschwert. Auch die Übernahme der digitalen Impfzertifikate in die elektronische Patientenakte wäre dann nicht mehr möglich. Zwar sind die Krankenkassen seit dem 1. Januar 2022 verpflichtet, den Versicherten die digitale Ablage ihres Impfpasses zu ermöglichen, doch ist dieses Feature bislang allenfalls ansatzweise realisiert. Die auf der CWA gespeicherten Impfzertifikate könnten – auf freiwilliger Basis – in die Patientenakten übertragen werden. Alternativ müssten diese Angaben durch Ärztinnen und Ärzte oder Apotheken erneut erfasst werden, ein extrem teures und aufwändiges Vorhaben, das man sich – bezogen auf die COVID-19-Impfungen – im wahrsten Sinne ersparen könnte.

Es ist zu befürchten, dass auch diese Chance nicht genutzt wird und Deutschland seine rote Laterne bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens erfolgreich verteidigt.