Datenschutz ist nicht nur „schön“, sondern essentiell für unsere Freiheit und Sicherheit

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat nach den Terror-Anschlägen von Brüssel gesagt, der Datenschutz sei zwar schön, aber in Krisenzeiten wie diesen habe die Sicherheit Vorrang. Überdies plädierte er für ein Ein- und Ausreiseregister und für die Verknüpfung der „Datentöpfe“ von Polizei und Geheimdiensten auf europäischer Ebene.

In allen drei Punkten irrt de Maizière. Gerade ein Verfassungsminister sollte wissen, dass der Rechtsstaat im allgemeinen und besonders der Datenschutz keine Schönwetter-Veranstaltungen sind, wie auch der Hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch zu Recht betont hat. Schon nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde von interessierter Seite der Datenschutz zum Sündenbock für das Versagen der Sicherheitsbehörden gemacht und der Weg für massive Einschränkungen der Datenschutzbestimmungen auch in Deutschland geebnet. Eine seriöse Evaluation dieser Einschränkungen – wiewohl verfassungsrechtlich geboten – ist unterblieben.

Dabei ist das grenzenlose Anhäufen immer größerer Datenmengen gerade kein probates Mittel im Kampf gegen den Terrorismus. Das gilt sowohl für die Vorratsdatenspeicherung wie auch für die anlasslose Speicherung von Flugpassagierdaten, die das Europäische Parlament aus gutem Grund noch nicht beschlossen hat. Es gilt erst recht für den Vorschlag de Maizières, jetzt ein generelles Ein- und Ausreiseregister einzurichten, in dem offenbar sämtliche Grenzübertritte anlassunabhängig personenbezogen gespeichert werden sollen. Als nächstes müssten – dieser Logik folgend – sämtliche Bahnfahrten auch innerhalb Deutschlands zentral bei den Sicherheitsbehörden gespeichert werden, kein Bahnticket könnte mehr ohne Identifikation des Passagiers gekauft werden. Dies ist der Weg zu einer lückenlosen Registrierung sämtlicher Reisebewegungen, die mit Sicherheit vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig angesehen würde, wie die Richter es bereits in der mündlichen Verhandlung über das erste – später kassierte – Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung deutlich gemacht haben.

Es ist auch ein fataler Irrglaube zu meinen, man könne durch das Anhäufen immer größerer Daten-Heuhaufen mittels anlassloser Überwachung im entscheidenden Moment die Stecknadel – den Hinweis auf einen bevorstehenden Terroranschlag – finden. Das ist auch in den USA zur exzessiven Überwachungstätigkeit der NSA bereits festgestellt worden, ohne dass dies allerdings zu einer wesentlichen Einschränkung dieser Praxis geführt hätte. Ganz im Gegenteil: der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Wolfgang Hoffmann-Riem hat 2001 darauf hingewiesen, dass ein Staat, der immer mehr dazu übergeht, seinen Bürgern zu misstrauen, sich nicht wundern darf, wenn die Bürger beginnen, dem Staat zu misstrauen. Denn wenn trotz ausufernder Datensammlungen trotzdem Terroranschläge nicht zu verhindern sind, droht eine zunehmende Verunsicherung unter den Bürgerinnen und Bürgern, die sich und den Staat fragen: „Warum konnte dies trotz der umfassenden Datensammlungen und mächtigen Auswertungswerkzeuge nicht verhindert werden ?“ Schon jetzt beklagen Mitarbeiter von EUROPOL nach Medienberichten, dass die dortige Datenbank durch Meldungen der französischen Sicherheitsbehörden „geflutet“ werde. Man kann auch den Wald vor lauter Bäumen übersehen.

Falsch liegt de Maizière auch mit seiner Forderung, die Datenbestände von Polizei und Geheimdiensten müssten auf europäischer Ebene zusammengeführt werden. Das in Deutschland geltende Gebot der informationellen Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten hat zwar nicht allen EU-Mitgliedstaaten den gleichen Stellenwert. Eine deutsche Regierung darf sich aber nicht an seiner Aufweichung über den europäischen Umweg beteiligen. Natürlich muss die Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten untereinander und auch zwischen Polizei und Geheimdiensten bei konkreten Hinweisen auf Gefahren für die Gesellschaft intensiviert werden. Ein generelles präventives Zusammenführen der „Datentöpfe“ verbietet sich aber aus guten Gründen. Auch ein jetzt befürworteter erweiterter Zugriff aller Sicherheitsbehörden auf die Antiterrordatei scheidet aus. Schon bei dem im November 2015 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassungsschutzgesetz ist mehr als zweifelhaft, ob es einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhalten würde.

Immerhin, in einem Punkt hat de Maizière Recht: Auch er erteilt dem aberwitzigen Vorschlag aus der eigenen Partei eine Absage, Gefährder mit elektronischen Fußfesseln auszustatten. Dann könnte man sie nämlich nicht mehr verdeckt beobachten, um Querverbindungen zu bisher unbekannten Personen aufzudecken.

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