Das Grundrecht, nicht bewertet zu werden – Privacy by Default

Wie in der realen Welt stoßen auch im virtuellen Raum Interessen aufeinander, die vielfach nicht vereinbar sind. Urheber und Verlage haben andere Interessen als die Betreiber von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken. Nutzer interaktiver Dienste haben den Anspruch auf Schutz ihrer Grundrechte und ihres Selbstbestimmungsrechts nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber Unternehmen, die ihre Daten in unvorstellbarem Maß einsammeln und zu Geld machen.

Unternehmen und staatliche Stellen erfahren immer mehr über unsere persönlichen Verhältnisse, Interessen und alltägliche Verhaltensweisen. Und sie ziehen aus den angehäuften Daten Schlussfolgerungen, die teils erhebliche Auswirkungen für die Betroffenen haben: Zu welchen Konditionen ihnen bestimmte Produkte angeboten werden, ob sie kreditwürdig sind, welche Versicherungsprämie sie zu zahlen haben oder ob sie an Bord eines Flugzeuges gelassen werden. Dagegen erfahren die so Bewerteten ziemlich wenig darüber, was mit ihren Daten geschieht, wer sie erhält und mit welchen Verfahren automatisierte Werturteile gebildet werden. Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs zum Auskunftsrecht gegenüber der SCHUFA verdeutlicht, dass es einfach nicht ausreicht, Transparenz auf die gespeicherten Daten zu beschränken. Vielmehr muss gesetzlich garantiert werden, dass die Betroffenen nachvollziehen können, wie mit ihren Daten umgegangen wird. In einer zunehmend von automatisierten Entscheidungen geprägten Welt kann es nicht mehr hingenommen werden, dass das Geschäftsgeheimnis an einem Algorithmus höher gewichtet wird als das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung.

Transparenz ist eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung des Selbstbestimmungsrechts im Zeitalter ubiquitärer Datenverarbeitung. Auch heute muss der Grundsatz gelten, im Regelfall nicht automatisiert beobachtet, nicht in seinem Verhalten registriert und nicht bewertet zu werden. Das setzt striktere Regeln darüber voraus, wie Technik in unsere Alltagsgegenstände einzieht. Smart TVs, die unseren Fernsehkonsum registrieren, Spielekonsolen, die unseren emotionalen Zustand aufzeichnen und Kraftfahrzeuge, in denen unser Fahrverhalten und unser Aufenthaltsort registriert wird, stellen die informationelle Selbstbestimmung weitaus stärker in Frage als die klassische, überwiegend sichtbare Videoüberwachung. Wer registriert und beobachtet werden will, den sollte man nicht daran hindern, entsprechende Features freizuschalten. Aber die Voreinstellung muss sein: Keine Beobachtung, keine Registrierung. „Privacy by Default“ – voreingestellter Datenschutz ist angesagt. Entsprechende Ansätze im Vorschlag der Europäischen Kommission in der Datenschutz-Grundverordnung  bieten dafür einen guten Anknüpfungspunkt.

Ihr

Peter Schaar

4 Kommentare

    irgendeiner | 8. Februar 2014 at 15:27

    „In einer zunehmend von automatisierten Entscheidungen geprägten Welt kann es nicht mehr hingenommen werden, dass Geschäftsgeheimnisse an einem Algorithmus höher gewichtet wird als das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung.“
    Sie haben mit diesem Satz alles auf den Punkt gebracht. Aber in einer „marktkonformen Demokratie“ ist angewandte BWL wohl das höchste Gut.

    Die Wichtung ein Geschäftsgeheimnis höher zu werten als die Privatsphäre des Einzelnen widerspricht eklatant der Unschuldsvermutung.
    Ich zitiere Wikipedia:
    Die Unschuldsvermutung ist eines der Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens und wird heute von den meisten Ländern der Welt zumindest dem Anspruch nach anerkannt.
    Weiterhin wird hierarchisch ausgeführt in welcher Kaskade das Gesetz auszulegen ist. So steht dieses Grundrecht über dem Hoheitsrecht.
    Das Grundgesetz legt im Abschnitt „Grundrechte“ (Art. 1 bis Art. 19) fest, welche Rechte jeder Mensch (Menschenrechte oder Jedermannsrechte) und speziell jeder Staatsbürger (auch Bürgerrechte oder Deutschenrechte) gegenüber den Trägern der Hoheitsgewalt hat. Auch juristische Personen sind, soweit die Grundrechte auf sie anwendbar sind, Träger von Grundrechten. Die Grundrechte des Grundgesetzes sind im Wesentlichen als Abwehrrechte des Grundrechtsträgers gegenüber Handlungen von Hoheitsträgern ausgestaltet, besitzen jedoch auch eine Drittwirkung auf das Rechtsverhältnis zwischen Personen. In dieser Funktion geben sie dem Grundrechtsträger einen Anspruch gegen den Staat auf Beseitigung einer Beeinträchtigung des durch das betreffende Grundrecht geschützte Rechtsgut.

    Da es gerade beim Scoring um eine Vorverurteilung durch Dritteinflüsse handelt wurde hier eindeutig das Recht derer verletzt, deren Geschäftstätigkeit durch BigData-Prozesse eingeschränkt bzw. behindert wird.

    Somit darf eindeutig bei geltendem Schutz des Geschäftsgeheimnisses keine Negativauskunft herausgegeben werden.

    Was sollen wir denn nun tun?? Das Gericht hat gesagt, Lehrer dürfen von ihren Schülern öffentlich bewertet werden. Produkte dürfen bewertet werden, so dass es jeder sehen kann. Dem Friseurladen nebenan kann ich eine schlechte Bewertung geben, so dass dort nie wieder jemand hingeht. Ich bin ratlos, was ich tun soll – denn ich selbst entscheide oft anhand von Bewertungen im Internet.

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