Das Europäische Gericht erleichtert den Zugang zu EU-Dokumenten

von Alexander Dix (23.05.2024)

Das Gericht der Europäischen Union (EuG – nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), aber diesem nachgeordnet) hat in zwei neueren Urteilen den Zugang zu Dokumenten der EU erheblich gestärkt.

Zum einen hat das EuG in seinem Urteil in der Rechtssache Client Earth and Leino-Sandberg v. Council (https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=283785&pageIndex=0&doclang=en&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=4296707) v. 13.3.2024 eine Entscheidung des EU-Rates aufgehoben, der einer belgischen Umweltorganisation und einer finnischen Professorin den Zugang zu einem Dokument verwehrt hatte, in dem der Juristische Dienst des Rates zur Umsetzung der Aarhus-Konvention in der EU Stellung genommen hatte. Mit der Aarhus-Konvention wurden 1998 die Rechte auf Information, Beteiligung und Klagemöglichkeiten als Rechte einer jeden Person zum Schutz der Umwelt auch für zukünftige Generationen erstmals im Völkerrecht verankert. Die EU ist der Konvention 2005 beigetreten und hat sie durch die Aarhus-Verordnung umgesetzt, wobei zwischen den Gremien der Aarhus-Konvention und der EU streitig war, inwieweit das Unionsrecht der Aarhus-Konvention vollständig entspricht. So haben die EU-Gerichte insbesondere das Klagerecht von Einzelpersonen zunächst restriktiver ausgelegt als es die Konvention vorsieht. Daraufhin hat die EU 2021 eine Änderung des Sekundärrechts vorgenommen, die diesen Konflikt beilegen sollte. Dennoch wurde den Klägern in dem jetzt entschiedenen Rechtsstreit der Zugang zu einem für den Rat im Zuge der Gesetzgebung erstellten Gutachten mit dem Argument verwehrt, dies könne die internationalen Beziehungen der EU beeinträchtigen und weitere Rechtsstreitigkeiten provozieren, zumal die Diskussionen mit den Aarhus-Gremien noch nicht beendet seien. Das EuG ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat den Rat zur Offenlegung des vollständigen Gutachtens verurteilt.

In einem zweiten, mindestens ebenso bedeutsamen Urteil hat das EuG am 8.5.2024 in der Rechtssache Izuzquiza, Semsrott u. Wehrmeyer v. Parliament entschieden, dass Unionsbürgerinnen und -bürger der Zugang zu Informationen über die Diäten und Reisekosten erhalten können, die an Mitglieder des Europäischen Parlaments und ihre Mitarbeiter gezahlt werden (https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=285849&pageIndex=0&doclang=en&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=443059). Hintergrund war der Fall eines griechischen Europaabgeordneten, der wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Griechenland inhaftiert ist, gleichwohl aber nach wie vor als Mitglied des Europaparlaments Diäten bezieht und seine Mitarbeiter Reisekosten abrechnen. Die Kläger wollten wissen, inwieweit das Europäische Parlament mit seinen Zahlungen in der Vergangenheit die kriminellen Aktivitäten des Abgeordneten zumindest indirekt mitfinanziert hat. Das Europäische Parlament hatte den Informationszugang mit dem Argument verweigert, die Antragsteller hätten kein öffentliches Interesse dargetan, wie es die Verordnung zum Datenschutz bei den EU-Institutionen vorausssetzt, bevor personenbezogene Daten von Parlamentariern an Dritte herausgegeben werden dürfen. Das EuG sah ein solches öffentliches Interesse dagegen als gegeben an, weil die Vermutung nicht fernliegt, dass die Diätenzahlungen und Reisekostenerstattungen im Zusammenhang mit den kriminellen Aktivitäten des Abgeordneten stehen können.

Diese zweite Entscheidung des Europäischen Gerichts ist aus zwei Gründen von besonderem Interesse: zum einen hat das Gericht in nachvollziehbarer Weise die vom Europäischen Parlament vorgenommene Abwägtung zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit zugunsten der Informationsfreiheit korrigiert; zum anderen ist die Entscheidung bedeutsam angesichts der gegenwärtigen Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter des Spitzenkandidaten der AfD für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2024, der wegen Spionageverdachts in Untersuchungshaft sitzt.

Insgesamt illustrieren die genannten Entscheidungen des EuG, dass das Gericht bereit ist, das Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten weiterzuentwickeln, während sowohl die Kommission als auch die Mitlgiedstaaten seit Jahren die vom Europaparlament geforderte Modernisierung der entsprechenden Verordnung 1049/2001 verhindern.

Alexander Dix

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