Auslandsüberwachung: Es geht um die Menschenrechte!

Von Peter Schaar

Berlin, 15. Januar 2019

Bei der derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelten Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst geht es um mehr als die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes. Die zentrale Frage ist vielmehr, ob deutsche Behörden auch dann an die die durch das Grundgesetz verbürgten Grundrechte gebunden sind, wenn sie im Ausland tätig sind. Im Mittelpunkt stehen dabei die Grundrechte auf Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) und auf Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 GG).

Als Edward Snowden im Jahr 2013 die weltweiten Abhörpraktiken amerikanische Geheimdienste bekannt machte, war die Empörung groß. Bis in die höchsten deutschen Regierungskreisen war zu hören, dass die Amerikaner damit gegen das deutsche und internationale Rechtssystem verstoßen hätten. Deutschland setzte in der Folge sogar – zusammen mit Brasilien – eine Resolution der UN-Vollversammlung „zum Schutz der Privatsphäre in der digitalen Welt“ durch (https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A%2FC.3%2F68%2FL.45%2FRev.1&Lang=E). Kernanliegen dieser – für die UN-Mitgliedstaaten indes nicht verbindlichen – Resolution war die Begrenzung der weltweiten Überwachung.

In der Folgezeit brachte jedoch der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur NSA-Affäre ans Tageslicht, dass sich auch der BND – wie die Auslandsgeheimdienste anderer westlicher Staaten – an einem internationalen Überwachungsnetzwerk beteiligte. Die Kernidee dieses Netzwerkes bestand (und besteht) darin, die im jeweiligen Ausland abgeschöpften Informationen auch mit den Diensten zu teilen, denen entsprechende Aktivitäten im Inland untersagt sind. Über diesen Informations-Ringtausch werden die rechtstaatlichen Sicherungen ausgehöhlt, die das nationale Recht – etwa das Grundgesetz – Ihren Bürgerinnen und Bürgern garantieren.

Mehr noch: Im Rahmen der so genannten „strategischen Fernmeldeüberwachung“ hatte der BND sogar solche Kommunikationsvorgänge überwacht, bei denen Mails und Telefonate ausländischer Kommunikationsteilnehmer über deutsche Netzknoten geführt wurden. Gegenüber dem NSA–Untersuchungsausschuss bestanden Vertreter der Bundesregierung auf der Position, der vom Grundgesetz garantierte Grundrechtschutz ende an den deutschen Grenzen. Die zweifelhafte Praxis des BND wurde dabei mit allerhand phantasievollen Konstruktionen gerechtfertigt, etwa der „Weltraumtheorie“ (welche die Überwachung von Internetknoten mit der ebenfalls praktizierten Überwachung von Kommunikationssattelliten gleichsetzte) oder der „Funktionsträgertheorie“ (wonach Mitarbeiter ausländischer Behörden oder Unternehmen nicht durch das Fernmeldegeheimnis geschützt seien).

Trotzdem beschloss die Große Koalition 2016 eine Novelle des BND-Gesetzes, das der Kritik allerdings nur in formaler Weise Rechnung trug. Seither umfasst das Gesetz zwar auch die Auslandsaufklärung, aber es legalisierte zugleich nicht nur die bisherigen Abhörpraktiken, sondern es weitete die Überwachungsbefugnisse für die „strategische Kontrolle“ sogar aus. Insbesondere angesichts der fortgeführten Praxis des Informations-Ringtauschs zwischen den westlichen Geheimdiensten beteiligt sich der BND damit weiter – jetzt gestützt auf das BND-Gesetz – an der globalen Verletzung von Grund- und Menschenrechten, die angesichts der fortschreitenden technologischen Entwicklung immer weitere Lebensbereiche umfasst. Besonders in Gefahr sind dabei dijenigen, die auf Grund ihrer Verletzlichkeit eigentlich des besonderen Schutzes bedürften: Dissidenten, Whistleblower und Regimekritiker in autoritären Staaten, die befürchten müssen, dass die bei der Auslandsaufklärung abgeschöpften Informationen in die Hände ihrer Verfolger geraten. Ebenso betroffen sind Vertreter der Medien, deren Quellen in Gefahr geraten, aufgedeckt zu werden.  

Es ist zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht hier klare Grenzen setzt!

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