EAID-Wahlprüfsteine zur Europawahl am 9. Juni 2024

Die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz (EAID) hat den zur Europawahl am 9. Juni 2024 kandidierenden Parteien Fragen zum Datenschutz und zur Informationsfreiheit gestellt. Die Antworten werden im Folgenden dokumentiert. Das Dokument beschränkt sich auf die bis Ende Mai eingegangenen Antworten.

1. Sollte die Europäische Kommission im Zuge der laufenden Evaluation der Datenschutz-Grundverordnung (grundlegende) Änderungen vorschlagen und wenn ja, welche ?

Bündnis90/Die Grünen

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat in den letzten Jahren globale Maßstäbe beim Schutz von personenbezogenen Daten gesetzt. Die Durchsetzung der Regeln in den Mitgliedstaaten ist allerdings unterschiedlich. Während in Deutschland Entbürokratisierung und mehr Rechtssicherheit nötig sind, müssen die Regeln gegenüber den internationalen Digitalkonzernen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten genauso konsequent durchgesetzt werden. Deshalb muss die Europäische Kommission für eine einheitliche und konsequente Durchsetzung der DSGVO sorgen, um die Grund- und Bürger*innenrechte wirksam zu schützen sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen zu schaffen, die eine Sonderbehandlung von Großkonzernen gegenüber KMU ausschließen. Die anstehende Evaluation der DSGVO wollen wir nutzen, um die Regelungen bei gleichbleibendem Datenschutzniveau zu vereinfachen und praxistauglicher zu machen, auch um den besonderen Bedürfnissen von KMU und Start-ups Rechnung zu tragen.

CDU/CSU

CDU und CSU wollen Datenschutz einfacher und innovationsfreundlicher machen. Die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ist und bleibt ein hohes Gut. Aber das Datenschutzrecht ist zu kompliziert. CDU und CSU wollen ein deutlich einfacheres und einheitlicheres Datenschutzrecht, das überall in der EU gleich angewandt wird. Dazu braucht es eine Reform und Harmonisierung der bestehenden Rechtslage und -anwendung. Dabei gilt das Prinzip: Sorgfaltspflichten gehören in sensible Bereiche.  CDU und CSU begrüßen, dass die EU Datenräume wie zum Beispiel den europäischen Gesundheitsdatenraum ermöglichen und das Teilen von Daten erleichtern will.

SPD

Die Datenschutz-Grundverordnung bedeutete einen Quantensprung in der Datenschutzpolitik und zeigt die herausragende Leistungsfähigkeit europäischer Lösungen. Sie hat sich weltweit zu einem Modell entwickelt, dem viele Staaten folgen. Zugleich hat sich beim Vollzug der DSGVO auch gezeigt, dass einige Bürger*innen sowie kleine Vereine mit ehrenamtlichen Strukturen sowie kleine und mittlere Unternehmen mit mehr Bürokratie belasten als nötig. Wir setzen uns daher für eine konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der DSGVO ein. Wir fordern zudem eine umfassende Stärkung von Behörden durch finanzielle und personelle Ressourcen.

FDP

Wir Freie Demokraten sehen einen funktionierenden europäischen Datenschutz mit Datensouveränität und informationeller Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger als Grundlage für eine faire und funktionierende Datenökonomie. Die Datenschutz-Grundverordnung der EU (DSGVO) hat sich in vielen zentralen Aspekten als weltweiter Standard für den Datenschutz etabliert. Wir wollen sie konsequent entbürokratisieren und weiterentwickeln. Insbesondere werden wir darauf achten, dass die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen und ihre Belange stärker berücksichtigt werden und der bürokratische Aufwand reduziert wird.

Die Linke

Die Kommission sollte keine (grundlegenden) Änderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vorschlagen. Es gibt zwar dringenden Überarbeitungsbedarf. So unterscheidet die DSGVO etwa nicht zwischen profitorientierter und gemeinwohlorientierter Datenverarbeitung. Datenverarbeitung für Ziele des Allgemeinwohls sollte zur Ermöglichung einer solidarischen digitalen Transformation auch rechtlich privilegiert werden. Darüber hinaus erzwingt die Datenwirtschaft die Einwilligung in tracking- und überwachungsbasierte Werbung vielfach mit kostenpflichtigen Alternativen. So wird der Schutz der Einwilligung entwertet. Gleichzeitig hat die DSGVO viele Vorteile im Bereich Transparenz, Betroffenenrechten und behördlichem Vollzug gebracht. Sollte eine Überarbeitung der DSGVO erfolgen, steht zu befürchten, dass die Lobby der Datenwirtschaft vor allem den Abbau der vielen guten Schutzstandards erreichen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt muss das Gute der DSGVO trotz ihrer Schwächen gegen Wirtschaftslobbyismus und rechts-konservativen Rückbau geschützt werden.

Piratenpartei

Die Datenschutz-Grundverordnung ist weltweit der Goldstandard zum Datenschutz und Vorbild. Im aktuellen Klima würde ein Wiederaufmachen des Pakets zu einer gravierenden Verwässerung führen, deswegen lehnen wir Piraten das ab. Stattdessen fordern wir besondere Gesetzgebung, die für ein höheres Schutzniveau für die elektronische Kommunikation (ePrivacy) und auch für unsere Internetnutzung (Nutzungsdaten) sorgen. Außerdem muss die Durchsetzung des Datenschutzrechts dringend verbessert werden, besonders in Irland, auch mithilfe eines Vertragsverletzungsverfahrens.

2. Welche Haltung nehmen Sie zum Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft bezüglich der Chatkontrolle zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ein ?

Bündnis 90/Die Grünen

Es ist unser aller Auftrag, Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Notwendig dafür sind Strukturreformen genauso wie Investitionen in Präventionsarbeit sowie mehr Personal in Beratungsstellen und bei der Polizei. Statt Überwachung aller privaten Chat- und Messenger-Nachrichten („Chatkontrolle“) setzen wir uns für gezielte Maßnahmen ein. Das Europäische Parlament hat sich klar und einstimmig gemäß unserer Linie positioniert: Anlasslose Überwachung von Kommunikationsinhalten ist grundrechtswidrig und mit uns nicht machbar. Gleichzeitig gilt es entschieden gegen die Verbreitung von sexualisierten Gewaltdarstellungen von Kindern und Jugendlichen im Netz vorzugehen. Hierzu wollen wir Ermittlungsbehörden personell stärken und die europäische Zusammenarbeit verbessern. Außerdem wollen wir präventive Maßnahmen stärken, wie z.B. durch ein klareres Design von Online-Diensten mit leichten Möglichkeiten für Missbrauchsmeldungen.

CDU/CSU

CDU und CSU wollen mit einem europäischen Aktionsplan Kinder besser vor sexuellem Kindesmissbrauch schützen. Verbrechen dieser Art sind abscheulich. Alle Instrumente des Rechtsstaats zum Schutz der Kinder müssen konsequent genutzt werden. Wir treten für die Speicherung von IP-Adressen bei allen schweren Straftaten insbesondere im Kampf gegen Kindesmissbrauch nach den Vorgaben des EuGH ein. Auch am digitalen Tatort müssen die Spuren gesichert werden. Außerdem wollen wir Kinder im Netz besser vor Cybermobbing und Grooming bewahren. Dafür soll Cybermobbing in ganz Europa als Straftat behandelt werden. Eine generelle Chatkontrolle lehnen wir ab.

SPD

Die neuen Vorschläge, die die belgische Ratspräsidentschaft zur Verordnung zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch online im Rat vorgestellt hat, sind nicht zielführend und entsprechen nicht unseren Forderungen. Für uns ist es essenziell, dass die Privatsphäre und die Vertraulichkeit der privaten Kommunikation als Grundrecht geschützt wird und Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikation verschlüsselt bleibt. Der Vorschlag der Ratspräsidentschaft sieht hingegen weiterhin ein Aufbrechen der verschlüsselten Kommunikation vor, dies lehnen wir ab. Auch der Anwendungsbereich für Aufdeckungsanordnungen ist im Vorschlag der Ratspräsidentschaft zu weit gefasst und erlaubt damit die Massenüberwachung von Kommunikation.

FDP

Für uns Freie Demokraten sind der Schutz der Privatsphäre und das Recht auf Verschlüsselung und Anonymität in digitalen Räumen unabdingbar. Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und anlassloses Ausspionieren von Bürgerinnen und Bürgern lehnen wir kategorisch ab. Auch der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch hat für uns Priorität. Die anlasslose Chatkontrolle aber ist ein Irrweg. Die Überwachung aller Chats, Nachrichten und E-Mails von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern stellt die Menschen unter ständigen Generalverdacht. Die von der Kommission vorgeschlagene CSA-Verordnung würde private Unternehmen zwingen, ihre Kundinnen und Kunden bzw. Nutzerinnen und Nutzer anlasslos auszuspionieren und sensible persönliche Daten insbesondere auch bei falschen Treffermeldungen an den Staat weiterzuleiten. Für den Rechtsstaat wäre die Chatkontrolle ein gefährlicher Dammbruch. Stattdessen müssen wir in die Ausstattung der Polizei und von Europol investieren.

Die Linke

Auch die Vorschläge der belgischen Ratspräsidentschaft zur Chatkontrolle-Verordnung sind inakzeptabel. Die Linke lehnt Client-Side-Scanning im Kontext von Chatkontrolle und Staatstrojanern strikt ab. Dies allein genügt aber nicht, um die geplante Chatkontrolle-Verordnung und die damit verbundene Grundrechtsverletzung zu stoppen. Massenhaftes Scannen privater Kommunikation muss generell unterbunden werden. Ausnahmen von der ePrivacy-Richtlinie wie sie derzeit schon bestehen, sind inakzeptabel. Stattdessen fordern wir die Wiederaufnahme der Arbeit an der ePrivacy-Verordnung, die ein konsequentes Recht auf Verschlüsselung beinhalten muss. Die geplante Chatkontrolle-Verordnung und auch alle Kompromissversionen derselben lehnen wir in allen Punkten ab. Dazu zählen auch die Vorhaben zur verpflichtenden Altersverifikation und zu Netzsperren. Durchaus dringliche Maßnahmen für mehr Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt können wir hier nicht erkennen.

Piratenpartei

Unser Europaabgeordneter Dr. Patrick Breyer ist Schattenberichterstatter für diese Verordnung. Der vermeintlich neue Vorschlag ist ein Täuschungsmanöver, um den extremen Ausgangsentwurf der EU-Kommission zur Chatkontrolle im Kern unverändert durchzudrücken. Wie der juristische Dienst des Rates und auch unabhängige Wissenschaftler in einem Offenen Brief bestätigt haben, ändert der neueste Vorstoß an der Natur der Aufdeckungsanordnungen zur Chatkontrolle nichts. Millionen privater Chats und Privatfotos unbescholtener Bürger sollen mit unzuverlässiger Technik durchsucht und ausgeleitet werden, ohne dass die Betroffenen auch nur entfernt mit Kindesmissbrauch zu tun haben – das zerstört unser digitales Briefgeheimnis. Trotz Lippenbekenntnissen zu Verschlüsselung soll mit Client-Side-Scanning bisher sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung allgemein ausgehebelt werden, um unsere Smartphones zu Spionen umzufunktionieren – das zerstört sichere Verschlüsselung.

Die Beschränkung der Chatkontrolle auf ‚Hochrisikodienste‘ ist bedeutungslos, weil jeder Kommunikationsdienst immer auch zum Versenden illegaler Darstellungen missbraucht wird und insofern ein hohes Missbrauchsrisiko aufweist. Der geleakte Kriterienkatalog zeigt, dass jegliche Echtzeitkommunikation, Anonymität oder Verschlüsselung als hohes Risiko mit der Folge einer Chatkontrolle angesehen wird.

Auch dass Chats erst ab zwei Meldungen der hochunzuverlässigen Algorithmen ausgeleitet werden sollen, ist bedeutungslos, weil falsch gemeldete Strandbilder oder einvernehmliches Sexting wohl selten nur ein einziges Foto umfassen. Dass die Ratspräsidentschaft Polizisten, Soldaten, Geheimdienstler und auch Innenministerien von der Chatkontrolle ausnehmen wollen beweist, dass sie weiß, wie unzuverlässig und gefährlich die Schnüffelalgorithmen sind, die sie auf uns Bürger loslassen wollen. Es ist eine Unverschämtheit, dass die EU-Innenminister die Folgen der Zerstörung des digitalen Briefgeheimnisses und sicherer Verschlüsselung, die sie uns zumuten, selbst nicht ausbaden wollen.

3. Halten Sie eine Altersverifikation im Internet ohne übermäßige Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung der Nutzenden für sinnvoll und wie ließe sie sich ggf. realisieren?

Bündnis90/Die Grünen

Grundsätzlich sind wirksame Schutzmechanismen wichtig, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen sicherstellen. Bislang sind Altersverifikationstechniken für das Internet entweder nicht datenschutzfreundlich möglich oder leicht zu umgehen. Zudem können sie andere Grundrechte, etwa auf Informationsfreiheit oder Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, einschränken. Das hat eine Studie ergeben, die unsere Europafraktion in Auftrag gegeben hatte und die im März 2024 veröffentlicht wurde. Wir setzen uns weiterhin für Mechanismen ein, die einen wirksamen Schutz bieten, Grundrechte schützen und dem Datenschutz gerecht werden.

CDU/CSU

Eine Altersverifikation im Internet ist aus Sicht des Jugendschutzes sinnvoll, da sie dazu beiträgt, dass jugendgefährdende Inhalte nicht an Minderjährige gelangen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass solche Systeme die informationelle Selbstbestimmung nicht übermäßig einschränken. CDU und CSU befürworten daher Lösungen, die einen effektiven Schutz der Jugend bieten, ohne dabei die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer unangemessen zu beeinträchtigen. Eine Möglichkeit der Realisierung kann die Nutzung der eID-Funktion des neuen Personalausweises sein.

SPD

Altersverifikationssysteme können einen wichtigen Beitrag zum Jugendmedienschutz leisten, wenn es z.B. um den Zugang zu altersbeschränkten Inhalten geht. Mit dem Jugendschutz-Gesetz, dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und den Vorgaben der AVMD-Richtlinie gibt es Regelungen, denen zufolge Anbieter verpflichtet sind, Kinder und Jugendlichen vor bestimmten Inhalten zu schützen. Der DSA zielt darauf ab, den Schutz, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, im digitalen Raum zu gewährleisten. Aus dem DSA ergeben sich jedoch keine Pflichten für Plattformen zur Altersermittlung oder Vorgaben für eine Altersverifikation. Derzeit wird an Leitlinien für die Plattformen gearbeitet. Bei allen Systemen zur Altersverifikation muss sichergestellt sein, das die Möglichkeiten zur anonymen oder pseudonymen Nutzung des Internets gewahrt bleiben und dass Mechanismen für die Altersverifikation die hohen Anforderungen an Sicherheit, Privatsphäre, Datenschutz und Anonymität berücksichtigen.

FDP

Eine Klarnamenpflicht durch die Hintertür lehnen wir Freie Demokraten entschieden ab. Vor diesem Hintergrund muss man anerkennen, dass einige Experten darauf hinweisen, dass eine Altersverifikation genau dazu führen kann. Der Gedanke, dass es weiterhin möglich sein muss, das Internet anonym zu nutzen, wäre damit dahin. Wir nehmen diese Bedenken ernst.

Gleichzeitig sind aus technischer Sicht digitale Identitäten mit selektiver Weitergabe von Attributen als Lösung möglich – wie im Sinne der Datenminimierung durch eIDAS 2.0 vorgesehen. Dies müsste zwingend grundrechtskonform unter Wahrung der Anonymität ausgestaltet werden. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Versprechen liberaler Demokratien, an dem weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene gerüttelt werden darf. Darüber hinaus darf die gewählte Lösung nicht zu einer Altersdiskriminierung von Personengruppen führen, die zwar Zugang zu einem Dienst haben sollten, diesen aber aufgrund einer fehlenden digitalen nicht nutzen können.

Die Linke

Es gibt durchaus technisch gut und datensparsam umsetzbare Wege für eine Altersverifikation. So kann über die elektronischen Funktionen des Personalausweises die Volljährigkeit als einfache Ja/Nein-Abfrage erfolgen, ohne dass Geburtsdatum oder Identitäts-Schlüsselmaterial übermittelt werden. Abzulehnen ist hingegen eine Auslegung der eIDAS-Verordnung dergestalt, dass diese Abfragen ohne den Personalausweis als Chipkarte erfolgen können. Dies würde die informationelle Selbstbestimmung gefährden und Barrieren gegen die Gefahr der Überidentifikation zu Fall bringen. Das Recht auf anonyme Internetnutzung muss gewahrt bleiben. Ausweispflichten sind generell auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken. Sie bergen stets die Gefahr, Menschen ungewollt auszugrenzen oder bestehende soziale Probleme weiter zu verschärfen. Alterskontrollen im Internet helfen dem Jugendschutz unserer Auffassung nach nicht.

Piratenpartei

Eine wirklich anonyme, spurenlose und vertrauenswürdige Altersverifikation ist nur durch Erwerb eines Zugangscodes im Handel gegen Ausweisvorlage möglich. Nur dann kann man sicher sein, dass die Identität nicht aufgezeichnet wird. Andererseits können solche Codes dann auch an Jugendliche weitergegeben werden, so dass der beabsichtigte Schutz verfehlt würde. Eine von uns beauftragte Umfrage zeigt, dass die große Mehrheit der jungen Menschen im Fall einer Altersverifikation auf Registrierung ihrer Apps durch Erwachsene setzen würde. Insofern ist eine Altersprüfung der falsche Weg zum Schutz junger Menschen. Richtig sind stattdessen Schutzmaßnahmen, die altersunabhängig Nutzer ermächtigen, sich gegen unerwünschte Inhalte zu wehren.

4. Wie positionieren Sie sich bei den im Trilog zur  e-Privacy-Verordnung sichtbar gewordenen Konflikten (Vorratsdatenspeicherung, Datenschutzaufsicht und Zweckbindung) und werden Sie sich für eine baldige Verabschiedung der Verordnung einsetzen ?

Bündnis90/Die Grünen

Wir haben maßgeblich an der Position des Parlamentes vom Oktober 2017 mitgewirkt, die die Vorratsdatenspeicherung ausschließt, die Aufsicht ausschließlich den Datenschutzbehörden gibt, und die Zweckbindung eng begrenzt. Darüber hinaus haben wir uns für klare Regeln für „Do-Not-Track“-Signale eingesetzt. Leider sind die Verhandlungen derzeit festgefahren. Wir werden uns weiterhin für wirksame Datenschutzstandards einsetzen. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist ja ohnehin mittlerweile durch mehrfache Urteile des EuGH, aber auch des BVerfG, ausgeschlossen.

CDU/CSU

s.o. Antwort zu Frage 1

SPD

Die Einigung zur ePrivacy-Verordnung ist ein wichtiger Meilenstein, um die Vorschriften an das digitale Zeitalter anzupassen. Dies betrifft vor allem den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation, aber auch die Cookie-Regelungen sowie den Umgang mit vernetzten Geräten. Die SPD hat immer wieder auf politischer und technischer Ebene Lösungsvorschläge an den Rat herangetragen. Leider blieben entsprechende Reaktionen des Rates aus.

Die fehlende Bereitschaft zu Verhandlungen seitens der Ratspräsidentschaften macht deutlich: Beim Schutz der Bürger*innen vor Überwachung und Vertraulichkeit der Kommunikation hört das Interesse an Fortschritt auf. Stattdessen zeigt sich der Rat sehr interessiert an der Nutzung von Daten für wirtschaftliche Zwecke oder dem Zugang zu personenbezogenen Daten für Sicherheitsbehörden. Grundrechte wie der Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit der Kommunikation werden so nicht gesichert, sondern ausgehebelt, und gravierende Schutzlücken entstehen.

FDP

Wir Freie Demokraten lehnen die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten ab. Dies gilt insbesondere für die anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten auf Vorrat. Eine solche Vorratsdatenspeicherung stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht. Deshalb muss die e-Privacy-Verordnung auf dieses Instrument verzichten und auch im Übrigen das Recht auf Privatsphäre in digitalen Räumen umfassend achten, um zustimmungsfähig zu sein.

Die Linke

Es ist skandalös, dass sich die EU-Kommission in den letzten Jahren intensiv mit der Genese einer abwegigen Chatkontrolle-Verordnung und zuvor schon einer Ausnahmeverordnung von der e-Privacy-Richtlinie befasst hat um das massenhafte Scannen privater Kommunikation zu erlauben, während es bei der e-Privacy-Verordnung seit Jahren nicht mehr voran geht. Das ist kein Zufall, denn die losgetretenen grundrechtsverletzenden Eingriffe in die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation wären mit einer konsequenten e-Privacy-Verordnung unvereinbar. Die Trilogverhandlungen laufen nun schon seit langem hinter verschlossenen Türen, was es umso schwieriger macht, Informationen über den aktuellen Verhandlungsstand zu erlangen oder gar eine öffentliche Beteiligung zu ermöglichen. Das alles ist ein inakzeptabler Zustand. Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung gehören in die e-Privacy-Verordnung ebenso wenig hinein wie Regelungen, die zu einer Zersplitterung der Datenschutzaufsicht führen. Wichtig ist die Verabschiedung der Verordnung auch, um endlich privacy-by-default, ein Schutz auch von Kommunikations-Metadaten und eine Ende der lästigen und irreleitenden Coockie-Banner herbeizuführen.“

Piratenpartei

Unser Europaabgeordneter Dr. Patrick Breyer ist Schattenberichterstatter für die festgefahrene ePrivacy-Reform. Als langjähriger Kämpfer gegen wahllose Vorratsspeicherung von Kommunikations-, Standort- und Internetverbindungsdaten ist für Patrick Breyer die Forderung der EU-Mitgliedsstaaten, im Zuge der ePrivacy-Reform einen solchen Dammbruch durch die Hintertür zu legalisieren und der wegweisenden EuGH-Rechtsprechung gegen Vorratsdatenspeicherung die Grundlage zu entziehen, völlig inakzeptabel. Weil die Parlamentsmehrheit diese Auffassung teilt, der EU-Rat aber beharrt, stecken die Verhandlungen fest. 

Hinzu kommt, dass das EU-Parlament zwar viele dringende Verbesserungen und Stärkungen des Kommunikationsdatenschutzes fordert (z.B. durch Verschlüsselung oder Verbot von Tracking Walls), der EU-Rat das geltende Schutzniveau der ePrivacy-Richtlinie aber massiv verwässern und absenken will. Deswegen befürworten wir die ePrivacy-Reform dann und nur dann, wenn der Datenschutz bei der Kommunikation tatsächlich gestärkt wird. Solange der EU-Rat auf gravierenden Verschlechterungen insistiert, bevorzugen wir das durchaus gute Schutzniveau der geltenden ePrivacy-Richtlinie.

5. Wie beurteilen Sie die kürzlich vom EP beschlossene KI-Verordnung und wo sehen Sie Ansatzpunkte für ihre Weiterentwicklung und Ergänzung, damit sie der schnellen technologischen Entwicklung in diesem Bereich Rechnung trägt ? 

Bündnis90/Die Grünen

Die Fortschritte in der Entwicklung und Anwendung von KI stellen eine riesige Chance für viele Lebensbereiche dar. Gleichzeitig zeigen sich durch die rasanten Fortschritte von KI neue Risiken. Die KI-Verordnung ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer ethischen und nachhaltigen KI-Regulierung. Wir setzen uns seit langem für eine KI-Gesetzgebung ein, die die Grundrechte schützt. Wir GRÜNE haben durchgesetzt, dass mit dem neuen KI-Gesetz eine Reihe der problematischsten Anwendungen verboten werden, etwa die Emotionserkennung im Studium und am Arbeitsplatz. Wir wollen KI nach unseren gemeinsamen Werten einsetzen, um einen effektiven Schutz der Menschenrechte und Gleichberechtigung zu gewährleisten.

CDU/CSU

CDU und CSU wollen Künstliche Intelligenz, keine künstliche Bürokratie. Europa soll Zentrum für eine auf ethischen Grundsätzen basierende Entwicklung von Künstlicher Intelligenz werden, die den Menschen dient. Wir wollen Forschung fördern und beschleunigen, Entwicklung von Anwendungen unterstützen und Freiräume ermöglichen. Wir müssen ihre Risiken beherrschen, dürfen aber nicht durch eine Überregulierung die Chancen und Vorteile von KI verpassen. Die neuen Vorschriften dürfen Innovationen in KI nicht abwürgen und müssen regelmäßig auf Angemessenheit und Aktualität geprüft sowie ggf. weiterentwickelt werden.

SPD

Der AI-Act ist der weltweit erste und umfassendste Rechtsakt zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Dem Rechtsakt liegt ein risikobasierter Ansatz zu Grunde, der auch auf künftige technologische Entwicklungen Anwendung findet. Vor einer möglichen Weiterentwicklung des Rechtsakts sollte die Wirkung nach Inkrafttreten bewertet werden. Wie bei den meisten Rechtsakten der EU ist eine regelmäßige Überprüfung vorgesehen, ob die Gesetze weiterhin relevant und effektiv sind und sich schnell verändernden Bedingungen gerecht wird.

FDP

Wir wollen die EU zum Hotspot für Künstliche Intelligenz machen, die den Lebenschancen der Menschen dient, statt sie zu entmündigen. Deswegen begrüßen wir die Verabschiedung der KI-Verordnung als wichtigen Meilenstein. Als weltweit erste einheitliche Regelung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schafft sie Rechtssicherheit. 

Konservativen Überwachungswünschen und linken Überregulierungsfantasien erteilen wir gleichermaßen eine Absage. Die FDP setzt sich für eine unbürokratische und praxisnahe Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Für KI-Trainingsdaten setzen wir uns für ein Fair-Use-Prinzip nach amerikanischem Vorbild ein. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KI-Wirtschaft stärken und moderne Monetarisierungsmodelle von Rechteinhabern ermöglichen. 

Gleichzeitig ist es leider nicht gelungen, bereits auf europäischer Ebene ein Verbot der biometrischen Gesichtserkennung durch KI im öffentlichen Raum durchzusetzen. Wir wollen aber ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum. Der breitflächige Einsatz von Software zur automatisierten und massenhaften Gesichtserkennung im öffentlichen Raum birgt die Gefahr der Totalüberwachung. Wir streben daher an, die Spielräume bei der nationalen Umsetzung der europäischen KI-Verordnung so zu nutzen, dass wir einen solchen Einsatz dieser Technologie gesetzlich ausschließen.

Die Linke

Mit dem verabschiedeten AI Act wird zwar eine dringend nötige Rechtsgrundlage für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) geschaffen, allerdings konnten bis zuletzt von Die Linke mehrfach geäußerte Bedenken zu datenschutz- und verbraucherrechtlichen Aspekten nicht gänzlich ausgeräumt werden. Die Linke teilt die Kritik, dass die Entscheidung, die Zulässigkeit sowie die Grenzen von Strafverfolgungspraktiken in einem Marktregulierungsinstrument wie dem AI Act zu regeln, dem Grunde nach in Frage gestellt wird. Im Zuge der Verhandlungen wurde deutlich, dass die EU ihre wirtschafts- und geopolitischen Ziele gegenüber dem Ziel des Grundrechtsschutzes bevorzugt und dieses deswegen deutlich verfehlt (z.B. fehlt ein konsequentes Verbot biometrischer Fernidentifikation im öffentlichen Raum und schafft so Voraussetzungen für einen Ausbau der Massenüberwachung im öffentlichen Raum innerhalb der EU). So führt der vielfache Verweis auf nationalstaatliches Recht jedoch zu unterschiedlichen Abwägungsentscheidungen und damit nicht zu einer EU-weit harmonisierten Herangehensweise. Die bevorstehenden Regulierungsvorhaben in den Mitgliedstaaten (zu schaffende Markt- und Aufsichtsbehördenstrukturen, Regelung biometrischer Fernidentifizierung, Transparenz, Nachhaltigkeit, usw.) wird Die Linke eng und konstruktiv begleiten.

Piratenpartei

Beim privaten Einsatz maschinellen Lernens zieht die KI-Verordnung zwar unzureichende, aber dennoch wichtige Leitplanken ein. Beim KI-Einsatz durch den Staat überschreitet die Verordnung aber unsere rote Linie der Massenüberwachung. Flächendeckende und permanente Echtzeit-Gesichtserkennung, einschüchternde Verhaltensüberwachung im öffentlichen Raum wie in Hamburg eingesetzt, fehleranfällige Gesichtserkennung in Videoüberwachungsbändern von Demonstrationen schon bei Bagatelldelikten, die KI-gestützte Auswertung der Herkunft von Personen, unwissenschaftliche ‚Video-Lügendetektoren‘ – keine dieser dystopischen Technologien verbietet der AI Act unseren Regierungen, zu denen auch illiberale und rechtsextreme Regierungen wie in Ungarn oder Italien zählen. Statt uns vor einem High-Tech-Überwachungsstaat zu schützen, regelt der AI Act penibel, wie man ihn einführt. So wichtig eine Regulierung von KI-Technologie ist, ist die Verteidigung unserer Demokratie gegen die Errichtung eines High-Tech-Überwachungsstaats für uns Piraten nicht verhandelbar. Eine Weiterentwicklung und Ergänzung wird zu erwägen sein, wenn die Verordnung in Kraft ist und angewendet wird.

6. Halten Sie die in den verschiedenen EU-Rechtsakten zur Regulierung des digitalen Raums (insb. DSGVO, Data Governance Act, Digital Markets Act, Digital Services Act, KI-Verordnung) vorgesehenen unterschiedlichen Aufsichtsregelungen für angemessen und wie sollten sie im Sinne einer stärkeren Harmonisierung weiterentwickelt werden ? 

Bündnis90/Die Grünen

Die Aufsichtsstrukturen der verschiedenen Rechtsakte zur Regulierung des digitalen Raums sind nicht ausreichend aufeinander abgestimmt. Auf der Grundlage des ersten Evaluierungsberichte wollen wir entscheiden, welche Vereinheitlichung der Governance-Strukturen geboten ist. Grundsätzlich ist eine stärkere Harmonisierung anzustreben.

CDU/CSU

CDU und CSU setzen sich für einen umfassenden Bürokratieabbau für Wirtschaft und Gesellschaft ein. Das betrifft nicht nur die Rechtssetzung auf europäischer Ebene. Zentral ist auch die nationale Umsetzung von EU-Rechtsakten. Wir wollen eine stärker harmonisierte Aufsichtslandschaft in Deutschland und Europa. Das betrifft sowohl die Situation innerhalb einzelner Rechtsakte als auch rechtsaktübergreifend. Wir wollen, dass klare Verantwortlichkeiten und Ansprechpartner bestehen, die für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen übersichtlich und leicht erkennbar sind.

SPD

Die EU hat in den letzten Jahren viele Rechtsakte wie den Digital Service Act (DSA) den Digital Markets Act (DMA) und zuletzt den AI-Act auf den Weg gebracht. Wir wollen im nächsten Schritt dafür sorgen, dass zur wirksamen Umsetzung der Rechtsakte genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, damit die Vorgaben in den Mitgliedsstaaten transparent, lösungsorientiert und einheitlich umgesetzt werden können. Außerdem müssen die Rechtsakte besser aufeinander abgestimmt werden, beispielsweise mit Blick auf die unterschiedlichen Definitionen im Data Governance Act und der DSGVO. Zudem braucht es eine starke und gebündelte Aufsicht.

FDP

Wir Freie Demokraten begrüßen alle digitalpolitischen Initiativen auf europäischer Ebene, die darauf abzielen, europäische Werte auch im digitalen Raum zu stärken und unseren Binnenmarkt weiterzuentwickeln. Projekte wie der DSA und der DMA können als Meilensteine für die Bürgerinnen und Bürger in Europa angesehen werden. Sie sorgen beispielsweise für mehr Sicherheit im digitalen Raum und stärken Nutzerrechte sowie Medien- und Pressefreiheit. Dennoch haben sich unterschiedliche Governance-Regime herausgebildet, die vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche auch nachvollziehbar erscheinen. Eine Harmonisierung kann sinnvoll sein, wenn dadurch Bürokratie abgebaut oder verhindert wird und die Durchsetzung der Regelungen nicht beeinträchtigt wird. Allerdings sind Rechtsakte wie die KI-Verordnung noch zu jung, um dies beurteilen zu können. Wir werden auf europäischer Ebene die Auswirkungen aller Rechtsakte kontinuierlich evaluieren und gegebenenfalls Anpassungsbedarf identifizieren, der auch eine Harmonisierung der Aufsichtsregeln umfassen kann.

Die Linke

Die in verschiedenen EU-Rechtsakten vorgesehenen Aufsichtsregelungen im „digitalen Raum“ sind oft das Ergebnis komplexer Verhandlungen und Interessenausgleiche. Die Linke vertritt die Position, dass der „digitale Raum“ keineswegs ein homogener Raum ist. In vielen Fällen können unterschiedliche (und meist auch dezentrale) Aufsichtsbehörden notwendig sowie vorteilhaft sein, um sicherzustellen, dass Unternehmen im digitalen Raum verantwortungsvoll handeln und die Rechte und Interessen der Nutzer respektieren (Verbraucherschutz, Datenschutz, weiterer Grundrechteschutz). Die Schaffung einer einzelnen zentral-einheitlichen „Digitalbehörde“, die das alles ersetzen könnte, wäre ein Trugschluss, weil er die „digitale Komponente“ reduziert auf einen technologisch-neutralen Aspekt und die soziale und ökonomische Frage dem unterordnet. Um einen ausgewogenen Ansatz für die Regulierung des „digitalen Raums“ zu erreichen, bedarf es nicht „Zentralisierung“, sondern gute Kohärenz- und Kooperationsverfahren.

Piratenpartei

Die DSGVO-Aufsicht spielt eine Sonderrolle, weil die Unabhängigkeit der Datenschutzaufsicht primärrechtlich verbrieft ist. Bei der übrigen Digitalgesetzgebung ist eine nähere Regelung oder Harmonisierung regelmäßig daran gescheitert, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten in dieser Frage nicht hineinreden lassen wollen. Einstweilen können EU-Mitgliedsstaaten Digital-Aufsichtsbehörden mit gebündelten Kompetenzen einrichten. Wenn sich dies durchsetzt, könnte in Zukunft eine stärkere Harmonisierung machbar sein.

7. Haben Sie ein TikTok-Account oder planen Sie, ein solches einzurichten ? Was sind die Gründe für Ihre Entscheidung ? Wie beurteilen Sie die Praxis von TikTok im Hinblick auf die Vorgaben des EU-Rechts zum Datenschutz, zur Transparenz und zur Verhinderung von Fakenews?

Bündnis90/Die Grünen

Wir haben seit kurzem auch einen TikTok-Account. Wir können so einen wichtigen Teil – gerade für junge Menschen – der heutigen digitalen Öffentlichkeit nicht extremistischen und populistischen Parteien überlassen, die dort massiv vertreten sind. TikTok unterliegt wie alle in der EU angebotenen Dienste der Aufsicht der europäischen Datenschutzbehörden, die ja bei der Verarbeitung personenbezogener Daten von Kindern bereits tätig geworden sind. Die Verbreitung von Desinformation und Falschnachrichten stellt eine Gefahr für unsere liberalen Demokratien dar. Gegen entsprechende Inhalte muss auf allen digitalen Plattformen konsequent vorgegangen werden.

CDU/CSU

CDU und CSU wollen mit ihren politischen Botschaften ein breites und diverses Publikum erreichen. Dafür braucht es eine adressatengerechte Ansprache. Hierfür wird auch Social Media genutzt. Gerade im Netz gilt es, die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern zu schützen – die entsprechenden Gesetze, wie etwa der Digital Services Act, sind daher von allen Social Networking Sites einzuhalten. Es stehen große Fragezeichen im Raum, ob TikTok derzeit allen Anforderungen etwa im Hinblick auf den Jugendschutz und den Zugang von Forschern hinreichend gerecht wird. Wir begrüßen daher, dass die EU-Kommission ein förmliches Verfahren gegen TikTok eingeleitet hat.

SPD

Katarina Barley ist seit Februar 2022 auf TikTok vertreten und hat ihre Präsenz auf der Plattform in den vergangenen Monaten intensiviert. Dort gibt sie Einblicke in ihre politische Arbeit und beteiligt sich, wie auch auf anderen Social Media-Plattformen, aktiv am demokratischen politischen Diskurs. Der Grund für diese Entscheidung ist die gestiegene Relevanz von TikTok für die politische Meinungsbildung. Informationsräume wie TikTok dürfen nicht allein demokratiefeindlichen Akteuren überlassen werden. Wie alle anderen digitalen Kommunikationsplattformen, ist TikTok selbstverständlich in der Pflicht, die europäischen wie auch nationalen Regeln zum Datenschutz, zur Transparenz und zur Bekämpfung illegaler Inhalte und Fake News umzusetzen und auch konsequent einzuhalten. Hier muss die Plattform noch mehr tun. Zugleich sind auch die zuständigen Aufsichtsbehörden, allen voran die EU-Kommission, in der Pflicht, sicherzustellen, dass TikTok diese Vorgaben einhält.

FDP

Die FDP hat als politische Partei den verfassungsmäßigen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken. Um die Menschen auch tatsächlich erreichen zu können, müssen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit an deren Mediennutzung ausrichten. Wir setzen daher auf Präsenz sowohl in den klassischen Medien als auch auf digitalen Plattformen. Digital kommuniziert die Bundespartei insbesondere über ihre Kanäle auf Facebook, Instagram, X, Threads, LinkedIn und YouTube. Die FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann nutzt einen persönlichen TikTok-Account für ihren Wahlkampf, die FDP selbst beobachtet die Entwicklung der Plattform fortlaufend.

Als Freie Demokraten beobachten wir die Entwicklungen und Debatten rund um die App TikTok sehr genau. Insbesondere weil die App so erfolgreich ist und es immer wieder Berichte über Datenschutzprobleme sowie Zensurmechanismen auf der Plattform gibt, ist ein vorsichtiger Umgang mit TikTok angezeigt. Ein Verbot von TikTok fordern wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Viel nachhaltiger ist es, die Mündigkeit und Medienkompetenz jedes Einzelnen zu stärken. Die Bürgerinnen und Bürger Europas müssen in der Lage sein, Informationen aus Quellen wie TikTok kritisch zu hinterfragen und einzuordnen, Manipulationen zu erkennen und sich selbst eine Meinung zu bilden. Gleichzeitig muss die EU-Kommission fortwährend überprüfen, welchen Einfluss staatliche Stellen auf Internetunternehmen nehmen. Im Fall von Rechtsverstößen müssen Sanktionen folgen.

Die Linke

Ja, unser Spitzenkandidat Martin Schirdewan und andere unserer Parlamentarier*innen nutzen TikTok. Die Transparenz der Arbeitsweisen der großen Plattformen, sowie die Bekämpfung von Fakenews sind in diversen Gesetzen geregelt (AVMD-RL, DSA, Medienfreiheitsgesetz u. a.). Doch die Durchsetzung zeigt immer wieder, dass Löschpraxen und Streitbelegungsmechanismen die redaktionelle Verantwortung, Quellenbewertung, Recherche ersetzen. Im April 2024 hat die EU erstmalig gegen TikTok in Frankreich und Spanien, wenn auch wegen anderer Risiken für Jugendliche, ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dies zeigt, dass die technologische und wirtschaftliche Entwicklung der weltweiten Plattformen noch immer schneller ist, als die Gesetzgebung der EU. Die Reichweite der Plattformen ist trotzdem attraktiv für politische Kommunikation und wird von einigen unserer Parlamentarier*innen genutzt.

Piratenpartei

Die Piratenpartei nutzt in diesem EU-Wahlkampf unter Hintanstellung schwerer Bedenken einen TikTok-Account aktiv, um europa- und demokratiefeindlichen Parteien dieses wichtige Medium nicht zu überlassen – zumal erstmals 16-jährige wahlberechtigt sind. Wir bewerben diesen Account nicht aktiv, und alle Videos dort sind auch über andere Kanäle zugänglich, so dass niemand TikTok dafür erstmals nutzen muss. 

TikTok ist sowohl serverseitig als auch bezüglich der App in vielerlei Hinsicht datenschutzwidrig, überwacht Nutzer viel weitergehender als zur Erbringung des Dienstes erforderlich. Leider ist diese überwachungskapitalistische Praxis aber weitgehend branchenüblich und auch bei US-Konkurrenzdiensten wie Instagram vorzufinden. Der richtige Ausweg wäre daher den Betreiber zum datenschutzkonformen Betrieb von TikTok zu zwingen und auch Gesetzgebung zu einem starken Schutz der Internetnutzung auf den Weg zu bringen. 

Was Falschmeldungen angeht, ist zwischen illegalen und legalen Inhalten zu unterscheiden. Illegale Inhalte sind zeitnah nach Kenntnisnahme zu entfernen. Bei legalen Inhalten sollte es weder dem Staat noch privaten Internetkonzernen obliegen zu entscheiden, ob eine Information wahr oder unwahr ist. Die Nutzer sollten darin unterstützt werden, dies einordnen zu können (z.B. durch Hinweise und Fact Checking). 

Das eigentliche Problem bei Fake News sind die Empfehlungsalgorithmen, die gerade grenzwertige, problematische und provozierende Inhalte im Profitinteresse der Konzerne besonders schnell verbreiten. Nutzer sollten eine Sortierung ihrer Timeline nach Datum wählen können und sollten auch von Dritten programmierte, konfigurierbare und ggf. nichtkommerzielle Empfehlungsalgorithmen zur Sortierung ihrer Timeline einsetzen können (Interoperabilität). Solche Algorithmen können dafür sorgen, dass wir wirklich das zu sehen bekommen, was wir sehen möchten, und nicht das, mit dem man uns möglichst lange Werbung verkaufen kann.

8. Werden Sie sich für eine Weiterentwicklung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der europäischen Institutionen hin zu einer Europäischen Transparenzverordnung einsetzen ?

Bündnis90/Die Grünen

Ja, wir werden uns weiter für die Verbesserung der Verordnung 1049/2001 einsetzen, auch für mehr pro-aktive Veröffentlichung von EU-Dokumenten. Für mehr demokratische Legitimierung der Entscheidungen auf EU-Ebene braucht es mehr Transparenz in allen EU-Institutionen, vor allem im Europäischen Rat und in den Ministerräten. Die Debatten und die Positionen der einzelnen Mitgliedsländer sollen nachvollziehbarer gemacht werden. Wir verfolgen unser Ziel von mehr öffentlichem Zugang zu EU-Dokumenten in allen Politikbereichen.

CDU/CSU

Transparenz ist eines der höchsten Güter der Europäischen Union und bereits in deren Verträgen festgeschrieben. CDU und CSU unterstützen dies und wollen Dokumente grundsätzlich niedrigschwellig zur Verfügung stellen, wenn kein Hinderungsgrund dem entgegensteht. CDU und CSU sind der Einschätzung, dass die europäischen Institutionen hier bereits einen hohen Standard setzen, den es im Sinne der Transparenz weiter zu verfestigen gilt.

SPD

Nachdem der Europäische Gerichtshof 2018 zum ersten Mal zugunsten eines breiteren Zugangs zu Dokumenten von Trilogen entschied, ist es notwendig geworden, den Rechtsrahmen der Verordnung 1049/2001 zu aktualisieren. Wir unterstützt dieses Ziel und teilen auch die Schlussfolgerungen der Untersuchungen der europäischen Bürgerbeauftragten über die Transparenz im Gesetzgebungs- prozesses im Rat. Der europäische Rat ist nicht gewillt, die Positionen der Mitgliedstaaten zu Gesetzgebungsverfahren zu veröffentlichen. Nach unserer Auffassung ist es an der Zeit, die Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der EU-Institutionen zu überarbeiten, damit auch die Entscheidungen und Diskussionen während der ratsinternen Verhandlungen bei Gesetzgebungsverfahren umfasst werden.

FDP

Transparenz gesetzgeberischen Handelns ist stets eine wichtige Grundlage demokratischer Kontrolle. Diese sollte in einem angemessenen Umfang im Rahmen der Anwendung der bestehenden Verordnung oder durch deren zielgenaue Weiterentwicklung sichergestellt werden.

Die Linke

Im Art. 15 III AEUV & der Grundrechtecharta Art. 42 wurde der Zugang zu öffentlichen Dokumenten in Anlehnung an Art.255 EG in den Verfassungsrang erhoben. Neben Rat, dKommission & Parlament, die Dokumentenregister vorhalten, gelten nun auch Veröffentlichungspflichten für den EuGH, EZB und die EIB, allerings nur hinsichtlich ihrer Verwaltungsaufgaben. Das Amtsgeheimnis wird der rechtfertigungsbedürftige Ausnahmefall. 2023 forderte das EP unter Beteiligung DER LINKEN & auf Druck von 18 NGOs den Zugang zu Dokumenten des EuGH bei Grundsatzprozessen. Mit der EU-Offenlegungsverordnung für Finanzinstitute (2021) ist die Bewertungsmöglichkeit von Investitionen & Finanzprodukten stärker in das öffentliche Interesse gerückt. Zeitgleich wurde die EU-Transparenzverordnung für Finanzberater verabschiedet, die verlangt, dass ökologische & soziale Nachhaltigkeitsrisiken dokumentierter Teil der Beratung sind. Auch wenn diese Transparenzpolitiken private Institutionen betreffen, könnte deren Priorisierung – eine Gesetzesbewertung hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Folgen – ein interessanter Maßstab sein, um die VO 1049/2001 weiter zu entwickeln. Über den Zugang zu Dokumenten der EU-Institutionen (inkl. Handels- & Völkerrechtsverträge. s. Pfizer) und deren Werdegang (legislative train, inkl. Trilog) hinaus, müssen wir mehr Transparenz über Tätigkeiten der Abgeordneten, Kommissions- und Ratsmitglieder sichern, um demokratiezersetzenden Lobbyismus erkennen & ausschließen zu können.

Piratenpartei

Definitiv. Unserem Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer ist es als Schattenberichterstatter der Reform des Statuts des Europäischen Gerichtshofs bereits gelungen, eine proaktive Veröffentlichung von Schriftsätzen auf der Homepage des Gerichtshofs als Regel durchzusetzen. Dies muss auf andere Institutionen ausgeweitet werden, denn Transparenz ist Funktionsbedingung einer auf Rechenschaft beruhenden Demokratie.