Nach dem Pariser Massaker: Totalüberwachung wäre die falsche Antwort

Die Anschläge von Paris haben uns alle fassungslos gemacht. Dabei war eigentlich allen klar, dass eine offene Gesellschaft ihre „weichen Ziele“ nicht umfassend vor solchen Anschlägen schützen kann. Niemand darf sich der falschen Gewissheit hingeben, dass solche Aktionen zukünftig mit 100%iger Sicherheit ausgeschlossen werden können, durch welche Maßnahmen auch immer. Selbst wenn erneute Überwachungsgesetze unsere Freiheit weiter einschränken sollten, wie einige es jetzt wohlfeil fordern, würde dies unsere Sicherheit nicht unbedingt verbessern. Wer – wie einige Polizeigewerkschaftler – vor dem Hintergrund der Anschläge für die Ausweitung der in Deutschland gerade erst wiedereingeführten Vorratsdatenspeicherung eintritt, macht es sich zu leicht. Bekanntlich hat die seit 2006 in Frankreich praktizierte 12-monatige umfassende Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat den Anschlag auf Charly Hebdo im Januar d. J. nicht verhindern können. Und die daraufhin vom französischen Parlament im Frühjahr erweiterten polizeilichen und geheimdienstlichen Überwachungsbefugnisse haben nichts gegen das Massaker vom 13. November 2015 gebracht.

Wer sich ernsthaft mit der Bekämpfung des islamistischen Terrors befasst, darf diese Fakten nicht ignorieren. Offenbar liegen die Ursachen sehr viel tiefer und die Sicherheitsbehörden sind trotz der seit den Terroranschlägen von 9/11/2001 massiv ausgeweiteten globalen Überwachung vor den jüngsten Terroranschlägen in Europa offenbar völlig ahnungslos gewesen. Der Eindruck drängt sich auf, dass die schrittweise vorangetriebene Totalüberwachung ein Holzweg ist. Nicht nur deshalb, weil dadurch unsere Bürgerrechte immer weiter ausgehöhlt werden. Sondern auch deshalb, weil durch die Registrierung und Überwachung völlig Unverdächtiger in großem Umfang Ressourcen gebunden wurden, die bei der gezielten Bekämpfung – ja, auch Überwachung! – terroristischer Aktivitäten besser investiert gewesen wären. Notwendig ist jetzt eine schonungslose Analyse dessen, was falsch gelaufen ist, wo die Schwachstellen lagen und wie sie zu beheben sind.

Angela Merkel hat in Ihrer eindrucksvollen Ansprache nach den Pariser Anschlägen ausgeführt:
„Lassen Sie uns den Terroristen die Antwort geben, indem wir unsere Werte selbstbewusst leben. Und indem wir diese Werte für ganz Europa bekräftigen. Jetzt mehr denn je.“

Genau darum geht es. Was wir jetzt als letztes brauchen, sind wohlfeilen Akte symbolischer Politik, denn nichts anderes wäre es, wenn jetzt erneut – zum wievielten Male eigentlich? – die allgemeine Überwachungsschraube weiter angezogen würde.

Peter Schaar

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