Whistleblower-Plattformen in Deutschland demnächst strafbar?

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat im Rahmen seines Referentenentwurfs für ein „Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ auch eine höchst bedenkliche Vorschrift zur Strafbarkeit der „Datenhehlerei“ vorgelegt. Nach dem neuen § 202d StGB-E soll sich strafbar machen, wer Daten,

„die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen.“

Nicht strafbar soll gem. § 202d Abs. 3 StGB-E die Beschaffung und Weitergabe von Daten sein „für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Nicht strafbar sollen insbesondere solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten sein, „mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen.“

Nach der Gesetzesbegründung soll der neue Straftatbestand „den strafrechtlichen Schutz von Informationssystemen und der in ihnen gespeicherten Daten vor Angriffen und Ausspähungen“ verbessern. Die Strafvorschrift soll für sämtliche Daten gelten, nicht nur für solche mit Personenbezug. Letztere sind in aller Regel ohnehin schon durch § 44 BDSG strafrechtlich geschützt. Um deren Schutz zu verbessern, würden entsprechende Ergänzungen der BDSG-Vorschrift ausreichen.

Im Hinblick auf die Informationsfreiheit und die Transparenz staatlichen Handelns könnte die neue Strafvorschrift erhebliche negative Folgen haben. So würde sich grundsätzlich jedermann strafbar machen, der sich durch Insider gewonnene Erkenntnisse über illegale Aktivitäten von Firmen, Behörden oder sonstigen Organisationen verschafft, diese öffentlich macht oder an Dritte weitergibt. Sowohl die Betreiber entsprechender Plattformen (etwa Wikileaks) als auch Blogger und ggf. auch Journalisten würden sich strafbar machen, wenn sie entsprechende Informationen weitergeben, die nicht aus internen IT-Systemen stammen.

Der in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis auf eine angebliche Privilegierung von Journalisten, weil diese in der Wahrnehmung ihrer beruflichen Pflichten tätig seien, überzeugt nicht. Zum einen handelt es sich nur um einen Hinweis auf die Kommentarliteratutur, die für Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht bindend ist. Anders als etwa die Steuer-, Strafverfolgungs- und Ordnungswidrigkeiten-Behörden werden Journalisten in der gesetzlichen Ausnahmeregelung nicht genannt. Deshalb müssten Journalisten grundsätzlich mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, wenn sie Informationen verwenden, die angeblich aus illegalen Quellen stammen, selbst wenn sie sich auf berufliche Pflichten berufen. Zum anderen verweist die Begründung darauf, dass allenfalls solche Handlungen von Journalisten geschützt wären, die in Vorbereitung einer konkreten Veröffentlichung erfolgen. Die Weitergabe von Ergebnissen journalistischer Recherchen, die ggf. weit im Vorfeld einer Veröffentlichung erfolgt, wäre demnach generell strafbar. Im Ergebnis wäre also eine Schwächung des journalistischen Quellenschutzes zu befürchten und mithin eine Beeinträchtigung von Art. 5 Abs. 1 GG.

Zudem würden sich journalistisch tätige Amateure und Blogger, die entsprechende Informationen sammeln oder veröffentlichen, auf jeden Fall strafbar machen, denn für sie würde die Ausnahmeregelung auf keinen Fall greifen, da sie ja nicht in „Wahrnehmung beruflicher Pflichten“ handeln. Würde es den im Entwurf formulierten Straftatbestand schon heute geben, wäre eine Vielzahl der in den letzten Jahren erfolgenden Berichte und Blogs über illegale Aktivitäten von Geheimdiensten strafbar gewesen, denn sie basieren auf Erkenntnissen von Whistleblowern wie Edward Snowden und Chelsea Manning, „die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt“ hat.

Schließlich würde die vorgesehene generelle Privilegierung von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten „der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen“ den durch § 44 BDSG und bereichsspezifische Datenschutzregelungen und Geheimhaltungsbestimmungen gewährleisteten Schutz personenbezogener Daten aushöhlen und andere gesetzliche Verwertungsverbote unterlaufen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Schaar

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