Mehr Sicherheit durch Fingerabdruck im Personalausweis?

Die Europäische Kommission hat für heute einen Vorschlag angekündigt, der vorsieht, dass zukünftig alle von den EU-Staaten ausgestellten Personalausweise mit den elektronisch erfassten und auslesbaren Fingerabdrücken der Inhaber versehen werden müssen. Die neue Regelung wird – wieder einmal – mit der Notwendigkeit begründet, den internationalen Terrorismus wirkungsvoll zu bekämpfen.

Während die Pässe, in denen die Fingerabdrücke bereits seit 2008 obligatorisch gespeichert werden, nur auf Antrag ausgestellt und für Reisen in bestimmte Länder außerhalb der Union benötigt werden, sind die Bürgerinnen und Bürger in den meisten EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, sich einen Personalausweis ausstellen zu lassen und diesen bei Kontrollen – etwa an den EU-Binnen- und Außengrenzen – vorzulegen. Das neue Vorhaben hat deshalb eine ganz andere Breitenwirkung als die Einführung der biometrischen Merkmale bei den EU-Reisepässen vor zehn Jahren.

Umso wichtiger ist die Frage, wie die erweiterte Datenerfassung begründet wird und welche Konsequenzen sie hat. Das zentrale, von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos vorgebrachte Argument ist die Erhöhung der Fälschungssicherheit. Nur durch elektronische Fingerabdrücke ließe sich die Fälschung von Ausweisen sicher verhindern. 

Eigentlich würde man erwarten, dass die Kommission dies mit Zahlen über ge- oder verfälschte Identitätspapiere belegen könnte.  Zudem war ja schon die verpflichtende Einführung des elektronisch im Personalausweis gespeicherten Gesichtsbilds mit der Erhöhung der Fälschungssicherheit begründet worden. Da inzwischen die meisten Personalausweise mit einem elektronisch, in einem Chip gespeicherten Passbild versehen sind, müsste sich doch feststellen lassen, wieviele Teil- oder Komplett-Fälschungen es bei diesen Papieren gegeben hat. Werden entsprechende Zahlen vorgelegt? Gibt es auch nur ein einziges Beispiel dafür, dass sich ein Terroranschlag oder eine andere schwere Straftat hätte verhindern lassen, wenn ein mit modernen Sicherheitsmerkmalen ausgestatteter Personalausweis zusätzlich mit Fingerabdrücken versehen gewesen wäre? Wir können gespannt sein, ob die Kommission heute diese Fakten vorlegen wird. Ich bin da eher skeptisch, denn es ist nicht einml plausibel, worin der zusätzliche Fälschungsschutz bestehen würde, wenn auch der Fingerabdruck elektronisch gespeichert würde. Wenn sich der Chip manipulieren lässt, dann gilt dies für das auf ihm bereits gespeicherte Lichtbild und den Fingerabdruck gleichermaßen. Und wenn der Chip manipulationssicher ist, bringt der elektronische Fingerabdruck keine zusätzliche Fälschungssicherheit.

Vieles spricht also dafür, dass die Erhöhung der Fälschungssicherheit ist ein vorgeschobenes Argument ist. Der zentrale „Vorteil“ der zusätzlichen Speicherung des Fingerabdrucks besteht darin, dass dieser sich deutlich besser dazu eignet, mit Datenbanken abgeglichen zu werden. Dieses Argument wurde aber bisher nicht vorgebracht, vielleicht deshalb, weil dann deutlich würde, dass es wieder einmal nur um mehr Überwachung geht, selbst wenn diese ggf. nicht zur Erhöhung der Sicherheit beiträgt.

Zudem würden beiläufig flächendeckende Fingerabdruckdatenbanken entstehen. Zwar schließt das deutsche Recht (bisher) die zentrale Speicherung biometrischer Merkmale aus, die bei der Ausweis- und Passbeantragung anfallen. Allerdings hat der Bundestag im Sommer 2017 die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sämtliche Sicherheitsbehörden online auf die in den dezentralen Pass- und Personalausweisregistern gespeicherten elektronischen Passfotos zugreifen können, und zwar nicht bloß für die Strafverfolgung, sondern für sämtliche von den Behörden wahrgenommenen Aufgaben. Wenn die dezentralen Register online abgefragt werden, degeneriert jedoch das Verbot der zentralen Speicherung zu einem schmückenden Beiwerk, das einzig dem Zweck dient, die Nerven von Skeptikern zu beruhigen.

Der aktuelle Vorschlag der Kommission ist ein weiterer Schritt zum Ausbau einer flächendeckenden Überwachungsinfrastruktur. Auch wenn dabei rechtliche Nutzungsbegrenzungen vorgesehen werden sollten, wissen wir doch aus Erfahrung, dass solche Begrenzungen mit einem Federstrich beseitigt werden können. So wurden bei fast allen größeren Terroranschlägen die rechtlichen Grenzen der Datenerfassung und -Auswertung zurückgenommen. Gerade deshalb lohnt es sich, genau hinzuschauen, wenn die technischen Voraussetzungen zur stärkeren Überwachung ausgebaut werden sollen.

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